Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
Vom Netzwerk:
mir einen kleinen Palast am Rand seiner Gärten, zwischen Orchideensträuchern.
    Wir hatten uns wieder gefunden, wenn es auch nicht mehr ganz so war wie vor meiner Schwangerschaft. Zuviel Haß macht einen Mann alt.
    Sobald seine Spione – er hatte sie überall – ihm einen reichbeladenen Zug auf der Nan Cuna meldeten, zog er mit einer Kriegerschar aus, überquerte im Boot den Apurimac, machte einen Überfall und tötete viele. Er kehrte mit Pferden und Waffen zurück, mit Waren und europäischen Kleidern, die er überaus liebte, und kostbaren Nichtigkeiten, die er uns schenkte. Wir fingen nichts damit an, weil wir in erbitterter Feindseligkeit alles ablehnten, was wir nicht kannten, eine ziemlich törichte Haltung, die uns in unserer Isolation aber Kraft gab.
    Manco brachte auch Gefangene mit, Reisende, Händler, Soldaten. Die Soldaten ließ er leben, sie mußten Pulver herstellen und seine Krieger an den Feuerwaffen unterweisen. Wer sich weigerte, starb.
    Die Hinrichtungen fanden auf dem Intipampa statt. Die ganze Stadt nahm daran teil. Bögen aus Grün wurden errichtet, Blumengirlanden verliefen längs des Kanals. Die Sitzreihen, die sich über dem Platz stuften, wurden mit Teppichen gepolstert. Da gab es Farben, Musiker, Tänzer, Mancos geliebte Jaguare, und auch wir Frauen mußten dabeisein und unsere Festgewänder zu seinen Füßen breiten.
    Angekündigt vom hallenden Klang der Meeresmuscheln, der den Kriegern ins Mark ging, begann das Spektakel. Wenn es endete, erbrach ich mich. Zu sehen, wie die Gepeinigten auf einen Pfahl gespießt wurden, der ihnen zum Mund herauskam, war mir unerträglich. Mißversteht mich nicht, Pater Juan! Die Aasgeier auszurotten, die unser Land plünderten, erschien mir gerecht. Aber die unnötige Grausamkeit, die Leiden, die Folter … Wozu?
    Anfangs hatte ich es Manco gesagt.
    Er hatte mich angesehen. Seine Augen waren schwarze Steine. »Wozu! Vergißt du so schnell, Asarpay? Nichts kann in meinem Gedächtnis auslöschen, was die Spanier uns in Sacsahuaman angetan haben. Sie sind schlimmer als wir! Die hier bezahlen für die anderen, die unsere Rasse vergewaltigen und schänden. Auch wir mußten bezahlen, unsere Männer, Frauen und Kinder bezahlen tagtäglich! Und was ist unsere Schuld, außer daß wir diesen Hunden zu treuherzig begegnet sind? Niemals wird mir das mehr passieren. Ich habe einen Vorteil: Sie wissen nicht, wo wir sind; aber ich weiß, wo und wann ich sie treffe. Wenn sie sich nicht mehr auf die Straßen trauen, nicht mal mehr in den Städten, wenn sie endlich begreifen, daß sie klüger daran tun, ihr Leben zu retten, als für eine Handvoll Gold zu sterben, dann werden sie sich einschiffen, und das Reich kann neu erstehen. Das ist mein Krieg. Er ist nicht ehrenvoll. Aber haben sie mir eine Wahl gelassen?«
    Da Manco mehr unterwegs als daheim war, widmete ich die Zeit, die sonst ihm gehört hätte, meiner Tochter.
    Ich war keine vorbildliche Mutter. Ich verwöhnte sie, wie ich nur konnte.
    Wenn Zara schelmisch zwinkerte, schmolz ich, löste die Bänder, die sie an ihre Wiege fesselten, und nahm sie in die Arme, verschlang sie mit meinen Küssen und weidete mich an dem Geruch ihres zappelnden kleinen Körpers.
    Wenn Qhora uns dabei überraschte, schimpfte sie.
    »Das darfst du nicht, das verbieten die Gesetze. Davon bekommt sie schlaffe Gliedmaßen, du machst noch ein forderndes, plärriges Gör aus ihr. Ich glaube nicht, daß deine Mutter sich je erlaubt hat …«
    »Arme Frau! Höchstens hat sie mich zwischen ihren Knien gerollt, wenn sie mich lauste …! Das ist aber auch der einzige Liebesbeweis, der mir von ihr geblieben ist. Ich will, daß meine Tochter mich liebt, sie soll sich später erinnern können, daß sie eine Mutter hatte.«
    »Wenn das der Inka wüßte!«
    »Der Inka? Er macht sich so wenig aus Zara.«
    Qhora seufzte.
    »Ja, ein Mädchen, das kann nicht kämpfen, also zählt es auch nicht.«
    Ich seufzte auch.
    Daß er die anderen vernachlässigte, diese ewigen Neugeborenen, die dem Rausch oder einem kurz aufgeflammten Begehren entsprungen waren, das verstand ich. Aber Zara, ein in Liebe empfangenes Kind, meine Tochter, wie konnte es sein, daß er nie einen Blick, eine Geste für sie hatte?
    Unser Leben ging nach dem majestätischen Zeremoniell des alten Hofes weiter, unterteilt vom Gesang der Sonnenjungfrauen, von den Beschwörungen der Priester, den religiösen Festen und dem Reigen der Jahreszeiten, in dem Kokablatt und Mais wuchsen und sich

Weitere Kostenlose Bücher