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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Habe ich nicht prophezeit, daß du wirst, was du bist? Ich habe gesagt, ich gehe mit dir nach Cuzco, also gehe ich.«
    »Du weißt doch gar nicht, was ich dort will.«
    »Nichts Gutes. Du hast zuviel Willen und Selbstsicherheit, das ist nicht gut. Eine Frau soll sanft und unterwürfig sein.«
    »Das hat der Inka Huascar auch gesagt, und trotzdem … Männer haben eine bestimmte Vorstellung von Frauen, aber sie gehen zu denen, die ihnen Staunen einflößen.«
    »Der Inka ist kein Mann. Du sprichst schamlos.«
    »Ich weiß, wovon ich rede.«
    Während der ganzen Reise hörten wir nicht auf, uns zu streiten. Daß er mir in allem widersprach, zu Recht oder zu Unrecht, kräftigte mich in gewissem Sinn. Streit gibt der Unterhaltung die belebende Handvoll Pfeffer. In der Ayllu wurde mir nur fade Wassersuppe serviert. Respekt macht einsam.
    Außerdem war es anrührend und bewundernswert, wie dieser Greis, der noch nie von seinem Berg heruntergekommen war, die Nan Cuna für sich entdeckte wie ein erobertes Land!
    Ich ging hinter ihm, trug die Nahrung, die Kalebassen, den Chichakrug, die Stäbchen zum Feuermachen, die Decken. Er begnügte sich mit seinen zwei Bechern – dem unerläßlichen Zubehör eines Mannes, ob Herr, ob Bauer: einen anderen zum Trinken einzuladen ist eine Höflichkeit –, außerdem hatte er ein paar Bündel Heilkräuter und mehrere Amulette mit, die er auf dem Markt zu Cuzco gegen einen neuen Chichavorrat eintauschen wollte.
    »Ich verbiete es dir«, hatte ich gesagt. »In Cuzco ist jetzt nur noch die Religion der Fremden öffentlich erlaubt. Ich habe kein Interesse daran, aufzufallen und eingesperrt zu werden, nur damit du dich berauschen kannst.«
    »Ich glaube dir nicht. Sieh: ist das nicht die Sonne? Unser Vater regiert.«
    »Aber, Alter, wenn ich dir doch sage …! Du wirst sehen, sie haben ihre Tempel auf unsere Tempel gebaut, ihre Priester haben unsere Götter vertrieben.«
    »In dem Fall frage ich dich: Was hast du, eine Frau des Inka, unter diesen Unreinen zu suchen?«
    »Das ist persönlich.«
    »Frauenprobleme werden von den Männern geregelt. Was du vorhast, werde ich tun.«
    »Du kennst die Fremden nicht, du sprichst nicht ihre Sprache …«
    »Aber du, Tochter meines Sohnes, sprichst sie! Du sprichst mit ihnen! Also willst du zu diesen Fremden.«
    »Schweig, Alter. Ich bitte dich, schweig!«
    Er gluckste blitzenden Auges.
    »Ganz mein Charakter! Kaum bläst man drauf, gleich steht er in Flammen! Es taugt nichts, wenn eine Frau ist wie ein Mann.«
    Die Hängebrücke über den Apurimac zu überqueren machte ihm eine kindliche Freude. Die Chicha hatte seine Beine beflügelt.
    Am vorletzten Tag der Reise trafen wir auf Bauernfamilien, die in die Stadt zogen. Ihre Klagen lehrten uns, daß unsere Ayllu noch gut dran war. Der Bruderkrieg zwischen Pizarro und Almagro hatte ganze Dörfer an den Bettelstab gebracht.
    Es waren kaum Spanier unterwegs, was mich verwunderte. Dennoch bekamen wir es mit einer Kavalkade zu tun, die uns in den Straßengraben scheuchte. Und zum erstenmal sah der Vater meines Vaters nun Pferde. Der Rest Chicha im Krug mußte herhalten, den Schreck zu verdauen. Als der Krug leer war, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als ihn wieder zu füllen, und er wurde mit einem Bauern handelseinig, der Sora bei sich hatte. Sora wird aus vergorenem Mais gebrannt. Es ist ein Teufelsgetränk. Die Inkas hatten es verboten.
    »Du wirst dieses Dreckszeug nicht trinken!« sagte ich wütend.
    »Weiß eine Frau, was gut ist für einen Mann? Ich trinke, was mir gefällt. Der Maissaft regt das Denken an, und ich muß denken, wenn ich höre, mit welcher Respektlosigkeit die Tochter meines Sohnes es wagt, mit mir zu sprechen!«
    Als wir vor Cuzco anlangten, läuteten Glocken.
    Obwohl ich dem alten Mann zu erklären versucht hatte, daß die Bräuche, die einst unser Stolz gewesen waren, nicht mehr gestattet waren, wollte er unbedingt die Erde küssen und fiel der Länge nach hin. Ich zog ihn an seinen Staatskleidern hoch, es gelang mir, ihn auf die Füße zu stellen, aber ich zitterte. Nach einer Weile merkte ich, daß ich das Flintmesser verloren hatte, das unter meinen Gewändern versteckt war, und ich lief zurück, es zu suchen.
    Die Kirchenglocken läuteten noch immer. Was feierte man? Wenn es ein Fest war, fehlte doch Leben auf den Straßen. Immerhin lief ich keine Gefahr, so gebeugt unter meiner Traglast erkannt zu werden, dazu mit einem solchen Gefährten an der Seite! Er aber, der noch nie

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