Die Feen - Hallmann, M: Feen
verpasst.«
»Unterzuckert«, tadelte sie missbilligend. »Warte hier.« Sie ging, ihr Hintern war ausladend, der Gang wiegend, irgendwie war es ein beruhigender Anblick. Beruhigender jedenfalls als die Nervosität der dünnen Frau Berger zu Hause, von deren Fürsorge man nur deshalb schnell wieder gesund wurde, um ihr zu entkommen.
Der Krötenkobold, ein dicker, dunkler Klumpen auf dem Nachttisch, rührte sich nicht, bis Schwester Harper kurz darauf mit einem Glas Cola zurückkam. »Hier, trink das.« Sie reichte es ihm. »Ich mache dir ein Sandwich, das isst du danach. Wirst sehen, dann geht es dir besser.«
Gehorsam trank Benny. Es tat wirklich gut. Schwester Harper stellte ihm einen Eimer hin und verschwand wieder. Bevor er die Cola ausgetrunken hatte, war sie bereits wieder zurück und platzierte einen Teller mit einem Käsesandwich darauf direkt vor dem Krötenkobold auf dem Nachttisch, als wollte sie es ihm servieren. »So«, sagte sie. »Mal schauen, wie schnell wir dich wieder auf die Beine bekommen.«
Der Krötenkobold zischte. Es klang hämisch. Er beugte sich vor.
Ihn direkt anzuschauen, um zu sehen, was er tat, konnte Benny schlecht, aber er schaute zum Sandwich, das erschien ihm unverfänglich. Das jedoch hätte er besser bleiben lassen – denn so sah er, wie das Vieh grunzend einen dicken Klumpen Schleim hochzog, das Maul öffnete und das zähe Zeug auf den Toast triefen ließ.
Bennys Magen explodierte. Mit einem Mal sah er sich selbst an der großen Tafel im Speisesaal sitzen und essen, und er sah, wie der Krötenkobold jeden Gang extra würzte, unsichtbar für Bennys Augen. Jedes Brot, jedes Stück Fleisch, jede Portion Gemüse. Wie lange war das Vieh schon da? Und wie oft hatte Benny …
Wäre Schwester Harper nicht so schnell gewesen, wie man es ihr angesichts ihrer gemütlichen Statur nicht zugetraut hätte, dann wäre sein Erbrochenes wieder auf dem Boden gelandet, vermutlich zusammen mit der Cola. Aber sie brachte das Kunststück fertig, ihm gleichzeitig das Glas abzunehmen und den Eimer in die Höhe zu reißen, und so übergab er sich ganz knapp in den Eimer.
»Ach, du Ärmster«, sagte Schwester Harper mitfühlend und legte ihm eine kräftige, abgearbeitete Pranke auf die zuckende Schulter. »Hast dir wohl doch was weggeholt. Na, das bekommen wir auch hin. Erst mal alles raus. Vielleicht ist es nur eine kleine Magenverstimmung.«
Neben Benny fauchte der Krötenkobold. Benny dachte an seine Träume, an das drückende Gefühl auf seiner Brust und an den unangenehmen Geschmack, den er manchmal morgens im Mund hatte. Faulig. Verdorben, pelzig. In Blu-ray-Qualität sah er vor sich, wie er auf dem Rücken lag, schlafend, und wie der Krötenkobold auf seiner Brust hockte, die sich langsam hob und senkte, mühsam aufgrund eines Gewichts, das er nicht richtig spürte, das aber dennoch da war. Und er sah, wie der Krötenkobold eine Hand ausstreckte, in seiner Vorstellung warzig und schleimig, und Bennys Mund öffnete, vorsichtig, um ihn nicht zu wecken. Wie er sich vorbeugte, das Maul öffnete und Schleim in den geöffneten Mund des schlafenden Benny hineintriefen ließ. Wie er, Benny, im Schlaf unruhig wurde, keine Luft mehr bekam und das Zeug … runterschluckte.
Beim dritten oder vierten Mal kam nur noch bittere Galle. Schweißnass und zitternd kauerte Benny auf der Bettkante. Schwester Harper musterte ihn besorgt. »Hattest du irgendwelche anderen Beschwerden? Durchfall vielleicht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich mache dir einen Tee. Leg dich erst mal ein bisschen hin. Wenn etwas ist, ruf mich einfach, ich bin immer in Hörweite.«
Nicht nur du, dachte Benny. Nicht nur du.
Er bildete sich ein, nicht zu Rachsucht zu neigen, aber als er aus dem Augenwinkel sah, wie sich der Krötenkobold regte, dachte er an Alasdair. An den Tag, der so endlos lange zurückzuliegen schien, als er ihm eins auf die Schnauze gehauen hatte. Ganz egal, was der Arsch ihm dann auf den Hals gehetzt hätte, in diesem Moment wünschte er sich, er hätte keine halben Sachen gemacht, sondern so richtig zugeschlagen. So, dass Alasdair danach die Nase am Hinterkopf gehabt hätte.
Er schlang die Arme um die Knie und lauschte dem wilden Rumpeln seiner entleerten Eingeweide. Bis heute Abend war noch endlos viel Zeit, ein ganzes Meer aus Zeit, das sich endlos vor ihm erstreckte. Und zwischen diesem Abend und ihm lagen noch zwei Mahlzeiten. Na, immerhin hatte er eine Ausrede, weshalb er sie ausfallen lassen konnte. Nie
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