Die Feen - Hallmann, M: Feen
Benny neugierig. »Ich meine – er schenkt dir ein Spiel, er regt sich darüber auf, dass du etwas mit Felix zu tun hast …«
Statt ihn für seine Neugier zu tadeln, weil es ihn nichts anging, zog sie eine Grimasse. »Eine verdammt gute Frage. Was ist das mit mir und Oliver?«
»Schon gut. Ich wollte nicht …«
»Ich frage mich das selbst. Ich hatte ihn mal ziemlich gern, weißt du? Und ich dachte, er mich auch. Aber mittlerweile bin ich nicht mehr so sicher. Ich glaube, dass Oliver Hegeling Menschen gern benutzt. Er meint es nicht böse, er kann nur nicht anders. Er gibt sich nur mit Leuten ab, von denen er sich etwas verspricht. Und das passt mir nicht.«
Mit gerunzelter Stirn griff Benny nach einem Zimtstern und biss hinein. Der Keks war dick und weich und schmeckte so intensiv nach Zimt, dass es ihm fast aus der Nase staubte.
»Ich weiß nicht«, murmelte er. »Zu mir war er eigentlich ziemlich nett.«
»Dann solltest du besser überlegen, weshalb«, beschied sie ihm kühl und fing an, das Spiel in einen Karton zu räumen, der neben ihr auf der Bank gelegen hatte. Es war eine ganze Spielesammlung, eins dieser Dinger, die in fast jedem deutschen Haushalt herumgeisterten und bei deren Anblick sich Benny immer fragte, ob wohl wirklich irgendwann irgendjemand damit spielte.
Leslie griff nach einigen Figuren, die am Rand des Tischs standen. Überrascht starrte Benny sie an – es waren die rausgeflogenen, vermutete er. Jedenfalls hatte sie von vier Farben je vier Figuren in die Schachtel gelegt, wenn er sich nicht irrte, und da stand ein gutes Dutzend weiterer Kegel. Überrascht streckte er die Hand danach aus.
Ein winziges Gesicht tauchte auf, mitten aus dem Nichts. Eine dünne, lange Nase, zausige Augenbrauen, darunter dunkle Augen, die ihn anstarrten. »Nichtjetzt!«, sagte das kleine Gesicht streng, dann war es wieder fort.
Eilig zog Benny seine Hand zurück. Er blinzelte. Eine der Figuren fiel ohne erkennbaren Grund um und rollte auf Leslie zu, die sie einsammelte. »Dankeschön, Sil.«
»Was zum Geier war das ?«
»Sil. Er ist ein bisschen schüchtern.«
»Bisschen«, hörte Benny aus dem Nichts.
»Sil?«
»Gins treue Seele. Ein Herdgeist. Vollkommen harmlos.«
»Vollkommen harmlos«, zischte es, jetzt aus einer anderen Ecke. »Vollkommen harrrmlosssss!«
»Bunte Figuren sind das Einzige, was er gern aufräumt«, erklärte Leslie. »So ist er wenigstens ab und zu mal nützlich.«
»Nützlich!«, bestätigte die Stimme, ganz nah bei Benny, der zusammenzuckte. Dann sah er, wie ein Zimtstern davongeschleift wurde. »Tapfer und gut«, murmelte die Stimme. »Hab ich verdient!«
»Er ist unsichtbar«, flüsterte Benny schwach.
»Ja, das ist etwas ganz Besonderes bei ihm. Nicht mal ich sehe ihn, wenn er es nicht will. Grau spürt ihn, aber selbst er sieht ihn nicht. Sil kann in eine Art Zwischenwelt zwischen hier und drüben. Er sagt, dort ist nichts außer ihm. Er hat versucht, es mir beizubringen, aber ich stelle mich zu doof an.«
»Großfuß«, kicherte es hinter ihr auf der Fensterbank. »Plump und dumm!«
Leslie stand auf und legte einen Keks unter den Küchenschrank. Auf der Fensterbank zischte es bösartig.
»Still jetzt, Sil!«, mahnte Leslie und setzte sich wieder hin. »Sei nicht so eifersüchtig. Sei gut, hörst du? Lumpi wohnt jetzt hier, und selbstverständlich bekommt er auch einen Keks.«
Es kam keine Antwort, aber das Schweigen, fand Benny, troff nur so vor tiefer Kränkung. Er musste sich Mühe geben, um nicht zu starren, wo es gar nichts zu sehen gab.
Die Suppe, die Gin aufgesetzt hatte, fing an zu blubbern, ihr kräftiger Duft stieg in Bennys Nase, und sein Magen fing schmerzhaft an zu ziehen. »Kann man wegen dem Krötenkobold etwas machen?«, fragte er und riss den Blick mühsam von der Fensterbank los. »Ihn irgendwie loswerden?«
Leslie zog eine Flunsch und schaute Benny an, ein Auge zusammengekniffen. »Wenig«, gestand sie.
»Wenig?«
»Na ja. Wir könnten ihn natürlich vertreiben. Oder dir ein paar Dinge mitgeben, um ihn fernzuhalten. Vermutlich könnte man ihn sogar umbringen.«
»Ehrlich?«, fragte Benny angetan.
»Klar! Aber das alles kommt nicht infrage. Das fällt ja auf. Nein, da ist leider nichts zu machen, wenn niemand merken soll, dass du den Kerl siehst, und glaub mir, das soll keiner merken. Sonst bekommst du Probleme, gegen die der Krötenkobold dir so nett vorkommt wie ein Plüschteddy. Nee, da hilft wohl nur abwarten.«
»Abwarten?«, fragte er
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