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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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wenn das Wesen, das einen anschaute, fast zwei Meter hoch war und über fingerlange Reißzähne verfügte. Da wollte man keine eventuelle Freundlichkeit, sondern massive Gitterstäbe zwischen sich und dem anderen. Oder, angesichts von Graus offensichtlicher Fähigkeit, sich in Nebel aufzulösen wie Dracula persönlich, eine dicke Panzerglasscheibe. Ohne Belüftungsschlitze.
    Grau gähnte und zeigte zwei unfassbare Reihen schimmernder Zähne, die ungeheuer solide wirkten. Ganz sicher nicht wie aus Nebel.
    Mit einem Schlag löste er sich auf. Die ganze Gestalt fiel einfach in sich zusammen. Nebel wallte auf wie eine Puderwolke, und aus dem Nebel huschten Gestalten, kindskopfgroß, aber schlank und wendig. Dutzende solcher Gestalten, die durcheinanderhuschten, flitzten, quiekten.
    Riesige graue Ratten.
    Benny bekam noch mit, wie Alasdair die Augen verdrehte, dann schrien die drei anderen Zirkelmitglieder auf, jetzt auch Carter, und wichen vor Benny zurück, denn auf den stürzten sich die Ratten. Wuselnde, wieselnde Leiber, die an ihm emporkletterten, ihn einhüllten wie ein Mantel aus lauter Körpern. Er schrie aus Leibeskräften, noch vor der Flut aus Ratten schlug die Panik über ihm zusammen. Er bekam keine Luft mehr, die Welt war ein einziges Chaos aus wirbelndem Grau und Schwärze, und hätten ihn die Ratten nicht allein durch ihre Masse auf den Beinen gehalten, wäre er mit Sicherheit gestürzt, hätte versucht, davonzukriechen. Überall kalte, kleine Pfoten, schlanke, geschmeidige Leiber, nackte Rattenschwänze, die wie Würmer über seine Haut strichen, schnüffelnde kleine Nasen, ein seltsamer Geruch wie kurz vor einem Gewitter. Nebel drang ihm in Ohren, Nase und Mund, und mit einem Mal schien er ihn ganz anzufüllen. Benny hörte es rascheln, rauschen und flüstern, als wehe der Nebel mitten durch seinen Verstand.
    Urplötzlich war der Spuk vorbei. Wimmernd taumelte Benny zurück, krachte mit dem Rücken gegen die Wand und wischte sich mit den Händen über den Körper, über Gesicht, Brust, Arme, Beine, überall, er spürte die Pfoten, die Schnauzen, die kletternden und drängenden Leiber noch immer.
    Endlich schaute er auf. Alasdair stand mitten im Raum, beleuchtet vom Licht der Petroleumlampen. Und zwischen ihnen saß Grau, jetzt wieder ganz wie immer. Ein riesiger Wolfshund, mehr nicht. Higgins, Shawfield und Carter waren verschwunden. Mit riesigen Augen schaute sich Benny um. »Hast du sie …« Er sprach es nicht aus. Er hätte nicht einmal gewusst, was er sagen sollte. Gefressen? Aufgelöst?
    »Weggelaufen sind sie«, sagte jemand von der Tür her. Es war Leslie. Sie streckte die Hand aus. »Komm mit.«
    Alasdair betrachtete sie. Sie schaute nicht hin. »Komm schon«, drängte sie.
    Benommen taumelte er auf sie zu. Alasdair verschränkte die Arme vor der Brust und kniff ein Auge zusammen. »Schön«, stellte er fest. »Das sind ja wenigstens mal halbwegs offene Karten.«
    Halb erwartete Benny, dass er sich auf ihn stürzen würde, aber Alasdair rührte sich nicht. Ganz kurz schaute Leslie auf und zuckte zusammen, als sein Blick sie traf. Die beiden starrten einander an, dann wandte Leslie den Blick ab. »Na komm endlich«, sagte sie, ihre Stimme klang belegt.
    Benny erreichte die Tür und schob sich an ihr vorbei in die Dunkelheit.
    »Gute Nacht«, wünschte Alasdair höflich.
    »Nacht«, sagte Leslie leise, wandte sich ab und zog Benny mit sich. Auf dem Weg zurück zu Gin schwiegen sie. Grau trottete neben ihnen her. Erst als sie fast schon das Dorf erreicht hatten, bemerkte Benny, dass Leslie weinte.

36 Vorbereitungen
    36 VORBEREITUNGEN
    S ie strandeten bei Gin wie Treibholz, das von einem nächtlichen Meer angespült wird. Mit fliegenden Händen zog Gin sie ins Haus, starrte mit zusammengekniffenen Augen hinaus und schloss dann die Tür. Grau blieb draußen. Benny wünschte, er wäre mit ins Haus gekommen. Er zitterte. Ohne Gin wäre er einfach mitten in der Küche stehen geblieben und hätte weitergezittert, aber sie drückte ihn auf die Bank und machte Tee – natürlich. Er verstand, was sie daran beruhigte. Das Zischen des Wasserkochers und das Klappern der Löffel und Tassen beruhigte auch ihn ein bisschen.
    Verspätet bemerkte er Oliver, der schweigend am anderen Ende der Bank saß und ihn betrachtete.
    Leslie bemerkte ihn auch. »Raus«, sagte sie zu ihm.
    Er stand auf.
    »Du kannst ihn da jetzt nicht rausschicken«, sagte Gin leise, aber bestimmt. »Ich nehme an, Alasdair weiß Bescheid?«

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