Die Feen - Hallmann, M: Feen
bei Trost«, stieß er hervor.
»Antworte ihm doch einfach«, riet ihm Sandy Carter. »Mann, das bringt doch überhaupt nichts. Sei doch ein bisschen vernünftig.«
»Ich habe nicht den Eindruck, dass Vernunft ihm ein Begriff ist«, sagte Alasdair gelangweilt. »Aber er ist ja auf Glen, um etwas zu lernen, nicht wahr?«
35 Ratten
35 RATTEN
G ins Haus war kein Zuhause mehr. Die Empfindung war so stark, dass sie Leslie immer wieder aus der Konzentration hochschrecken ließ. Sie saß am Küchentisch, der aussah wie immer, auf der Bank, die ebenfalls aussah wie immer, und machte sich Notizen zum Vertrag mit dem Kerrigan. Gin war auf der Suche nach letzten Koboldfetzen, eifrig unterstützt von Lumpi, dessen anbiedernde Art Leslie auf die Nerven ging. Sie fanden längst nichts mehr oder kaum noch etwas, aber Gin konnte einfach nicht aufhören zu putzen, immer wieder dieselben Flächen eines Hauses, das Leslie vorkam wie eine blassere Kopie von dem, was es einmal gewesen war.
Lag es an Lumpi? Daran, dass Sil fort war? War ein Haus, das seinen Hausgeist verloren hatte, kein Zuhause mehr? Oder lag es daran, dass sie innerlich schon Abschied genommen hatte?
Dabei war es ja gar kein richtiger Abschied. Sie war ganz sicher, mit Grau zusammen zu Besuch zu kommen, in seinem Körper ausgestreckt. Sie würde Gin nicht verlassen. Nur ihr Körper würde es tun, ihr kleiner, seltsamer Körper, den sie jemand anderem überlassen würde. Seltsam genug für Gin. Aber sie, Leslie, sie würde noch da sein. Sie und Grau. Nicht fort und unerreichbar wie Sil und Felix. Der Gedanke an die beiden schmerzte, und sie lauschte dem Schmerz nach, der den kupfernen Nachgeschmack von Schuld hinterließ.
Mit dem Fuß stupste sie Grau an, der unter dem Tisch lag und ab und zu grunzte. Sie spürte, wie er den Kopf hob und an ihr Bein schmiegte. Vor zehn Minuten war er noch rastlos auf Patrouille gewesen, jetzt ruhte er sich kurz aus.
»Gin?«
»Mhm?« In Erwartung einer Frage zum Vertrag, wie Leslie sie seit Stunden auf sie abfeuerte, hob Gin den Kopf.
»Du bleibst doch, oder?«
Auf Gins müdem Gesicht zeichnete sich Verwirrung ab. Sie sah älter aus als noch vor einigen Wochen, fand Leslie. Es erschreckte sie. Mit einem Mal wurde ihr klar, dass nicht sie Gin verlassen würde. Es war andersherum. Eines Tages würde Gin sie verlassen. Würde sterben. Und Leslie würde allein mit Grau in Glenshee umherziehen, in einem Glenshee, in dem jeder Winkel leer war, in dem es keine Gin mehr gab, wo sie auch nachschauten. Der unfreiwillige Verrat, der darin lag, ließ ihren Atem stocken.
»Natürlich bleibe ich«, sagte Gin. Ihre Stimme war heiser und spröde. Sie hatte es aufgegeben, auf Leslie einzureden, und seitdem sagte sie kaum noch etwas. Sie tauchte den Lappen in den Eimer mit heißem Wasser, das vermutlich noch so glasklar war wie beim Einfüllen, so sehr blitzte inzwischen alles, und machte sich daran, den Herd zu schrubben. An den durfte der etwas beleidigte Lumpi nicht dran. »Sei nicht albern, Leslie MacGregor. Wo sollte ich denn auch hin?«
»Das ist gut«, sagte Leslie erleichtert. »Weißt du …«
»Hör auf«, bat Gin müde. »Ich halte das nicht aus. Ich stehe hier solide und dick herum und sehe aus wie ein Fels in der Brandung, aber ich bin es nicht. Wirklich nicht. Ich wäre es gern, aber ich bin so wacklig, dass ich mich an diesem kleinen, nassen Lappen festhalte. Ich kann jetzt nicht Abschied nehmen. Nicht jetzt. Nicht, wenn du willst, dass ich diesen verdammten Vertrag mit diesem verschissenen Kerrigan noch einigermaßen mit Würde durchstehe.«
»Okay«, sagte Leslie schüchtern. Eine Weile war Stille. Darin knisterte Fremdheit. Ein Abschied, dachte Leslie, kann Menschen so entfremden, als träfe man einander zum ersten Mal. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Willst du einen Tee?«
»Sehr gern.«
»Ein Brot?«
»Mit Wildbeerenmarmelade?« Letzten Spätsommer hatte sie im Moor alles an Beeren gepflückt, was irgend essbar war, und Gin hatte bergeweise Marmelade daraus gekocht.
»Ich schau mal, ob noch ein angebrochenes Glas da ist. Ich gehe nicht extra in den Schuppen raus, Leslie MacGregor. Falls kein Glas mehr da ist, musst du mit Honig vorliebnehmen.«
Die Vertrautheit war schwach und steif, aber es war schon etwas besser. »Honig klingt auch gut.« Leslie grinste erleichtert. »Gin?«
»Ja?«
»Kraulst du mich dann hinter den Ohren, wenn ich mit Grau zu Besuch komme? Das mögen wir beide ganz besonders
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