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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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zuschauen, vom Keimen bis zum Ende. Darüber nachdenken, wie viele Sorten Regen es gibt und wie man sie nennen könnte und wie sie sich auf der Haut anfühlen. Mensch-ärgere-Dich-nicht spielen. Ausflüge hierher machen. Zuschauen, wie sich alles verändert und das meiste trotzdem gleich bleibt. Wie sich alles wiederholt. Wie die Kinder meines Bruders aufwachsen, vielleicht irgendwann seine Enkel.«
    »Wie Benny und ich unseren Abschluss machen. Wie dein Bruder eines Tages stirbt. Wie vielleicht irgendwann Glen aufgegeben wird und verfällt.«
    »Ja. All das.«
    Sie saß da, so ruhig, so eingehüllt in diese Ruhe, dass Benny versucht war, die Hand auszustrecken und sie zu berühren. Nur, um zu wissen, ob es möglich war. So weit fort kam sie ihm schon vor.
    Oliver sah aus wie verzaubert, auf seinem Gesicht lag ein seltsamer Glanz. Vermutlich, dachte Benny, war es das, was er gesucht hatte. Dieses Mehr . Für ihn, Benny, war das nichts. Er verspürte nicht einmal Sehnsucht danach, sich vorstellen zu können, einem Baum von Anfang bis Ende beim Wachsen zuzuschauen. Viel deutlicher spürte er Gins Schmerz. Er lag so offen in ihrem Gesicht, wenn sie Leslie betrachtete, dass er nicht begreifen konnte, dass Leslie es nicht sah. Oder, wenn sie es sah, dass es ihr nicht mehr bedeutete als dieses dämliche Tal und unendlich viel Zeit, die sie überwiegend allein verbringen würde. Für Gin gab es nicht unendlich viel Zeit. Für Gin gab es nur begrenzte Zeit, von der sie nicht wusste, wann sie aufgebraucht wäre. Eines nicht allzu fernen Tages würde Leslie in Gins Haus kommen und eine gealterte Gin vorfinden, und dann würde sie sich nach ihrer Rückkehr vielleicht in einer endlosen Partie Mensch-ärgere-Dich-nicht verlieren, ohne zu bemerken, wie viel Zeit sie verprasste, und wenn sie damit fertig war, lebten in diesem Haus bereits andere Menschen. Die Zeit mit Gin war nicht unendlich. Gins Zeit mit Leslie war nicht unendlich. Sie war geizig in Sekunden abgezählt, die unaufhaltsam ihrem Ende entgegenrinnen würden. Begriff Leslie das nicht? Er schaute das schiefe, kleine Gesicht an, die schrägen Augen, die großen Ohren, den wunderschönen, wie mit dem Meißel gearbeiteten Nasenrücken über der etwas knollig geratenen Nase, und fragte sich betroffen, wie es sein konnte, dass jemand so sehr geliebt wurde und es nicht einmal bemerkte.

37 Der Vertrag
    37 DER VERTRAG
    D er Kerrigan klopfte nicht etwa an die Tür. Auch Grau kündigte ihn nicht an. Um Schlag elf saß er auf einmal auf der Fensterbank, baumelte mit den Beinen und lüpfte höflich den Hut. »Meinen besten Gruß, Herrschaften. Die Damen zuerst und dann die Herren. Das ist ja eine rechte Großversammlung hier.«
    Leslie sah Benny zusammenzucken. Oliver gab ein Keuchen von sich, wie sie es einmal von einem scheuenden Pferd gehört hatte, und starrte den Leprechaun mit weit aufgerissenen Augen an. Rasch warf sie einen Blick zu Gin hinüber, halb in der Erwartung, zu sehen, wie sie ein Nudelholz packte, um es dem Kobold über den Schädel zu ziehen. Aber sie stand nur reglos da und starrte den Kerrigan an wie eine schreckliche Erscheinung. Dabei sah er sehr manierlich aus. Der struppige Bart war akkurat in Form gebürstet, die Schnallen an Schuhen und Hut auf Hochglanz poliert, sogar die Augenbrauen schien er sorgsam gekämmt zu haben.
    »Sie sind sehr pünktlich, Mister Kerrigan«, sagte Leslie freundlich.
    »Oh, eine Selbstverständlichkeit, Miss Leslie.«
    »Wir waren jedoch woanders verabredet, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Wissen Sie, Miss Leslie – angesichts der Komplikationen mit Ihrem Bruder und des nicht unbeträchtlichen Fußwegs, den Sie noch hätten zurücklegen müssen, dachte ich mir, ich erspare Ihnen die Umstände.« Er nickte ihr freundlich zu und setzte seinen Hut wieder auf. Neugierig betrachtete er Benny und Oliver. »Diese beiden jungen Herren wurden mir noch nicht vorgestellt.«
    »Mister Reutter und Mister Hegeling.«
    »Sehr erfreut.«
    »Auch«, krächzte Oliver. »Auch sehr erfreut, Mister …«
    »Kerrigan ist mein Name.«
    »Angenehm.« Oliver schien unsicher zu sein, ob man angesichts eines so kleinen Gegenübers die Hände schüttelte, und beließ es schließlich bei einem höflichen Neigen des Kopfs.
    Leslie gefiel seine Neugier. Verflucht sollte er sein, ruhig dreimal und öfter, aber der Eifer, der so lebhaft in seiner Miene stand, gefiel ihr.
    »Miss Leslie«, wandte sich der Kerrigan ihr zu. »Angesichts des Umstands, dass

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