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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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man das Fechten nennen will? Aufwärmübungen und ein bisschen Gehampel. Ich muss sagen, ich habe …«
    »Du bist doch nur sauer, weil Higgs deine Beinarbeit kritisiert hat«, frotzelte Richard. »Unser lieber Hegeling hier«, sagte er zu Benny, »bildet sich nämlich sonst was auf seine Fechtkünste ein. Und tja, wie soll ich sagen … diesen Sommer hatte er offenbar anderes zu tun. Und schwupps, wer rastet, der rostet. Dass er nicht über seine eigenen Füße gestolpert ist, ist ein wahres Wunder. Das Gegenteil von Fortschritt heißt Oliver.« Er grinste übers ganze Gesicht.
    »Ja ja«, knurrte Oliver. »Freu dich nicht zu früh. Ich bin viel leicht über den Sommer ein wenig eingerostet, aber ich …«
    »Ich bin gern bereit, dir ein bisschen Nachhilfeunterricht zu geben«, versicherte Richard ihm leutselig. »Ehrlich wahr. Macht mir überhaupt nichts aus!«
    »Lass stecken«, versetzte Oliver. »Noch jemand Tee?«
    Sie unterhielten sich noch ein bisschen über dies und jenes, ab und zu begleitet von Nicholas’ Brummen, aber es kam keine richtige Stimmung mehr auf. Benny erwischte sich dabei, wie seine Gedanken immer wieder um William Davenport kreisten. Den verrückten Willie, der geschrien hatte, als wollte er nie wieder damit aufhören. William, der vor ihm in demselben Bett geschlafen, dem der Schrank gehört hatte, in dem sich alles befand, was Benny momentan sein Eigen nannte. Der verrückte Willie, Pate von Felix.
    William Davenport, der Stimmen gehört hatte. Mit einem unangenehmen Prickeln im Nacken fragte sich Benny, wie es wohl bei William angefangen hatte. Ob es zuerst auch nur ein Flüstern hinter einer geschlossenen Tür gewesen war.
    Sil hatte gewartet. Gewartet und gewartet und gewartet. Die ganze Welt war Warten geworden, diese und auch die andere, er hatte am Feuer gesessen, wartenwarten, weil er nicht wusste, was er tun sollte. Sein Bauch war dick und prall von dem, was er zu erzählen hatte, es staute sich und wühlte in ihm wie ein dicker Wurm, lebendig hinuntergeschlungen, der um sich schlug und wieder hinauswollte. Vor lauter unberichtetem Bericht hatte er Schluckauf, es half nur ein wenig, die Arme um sich selbst zu schlingen. Immer wieder versicherte sich Sil, dass er tapfer war und gut, aber es tröstete ihn nicht. Schlimm war es gewesen, was er gesehen hatte. Schlimmschlimm!
    Zeit, das war ein Menschenwort. Früher hatte Sil damit nichts anzufangen gewusst. Aber an diesem Abend spürte er, dass es sie gab. Sie hatte einen Körper, der kein Körper war, ein Nichtkörper, er spürte ihre Schwere in der Luft. Beim Warten musste man ertragen, dass nichts passierte, das war schwer. Er versuchte es damit, in jeden Finger und in jeden Zeh zu beißen, schön langsam, in jedes lange, dünne Glied einmal, aber als er damit fertig war, wusste er nicht, ob Zeit vergangen war. Wie sollte man das wissen? Sie fiel nicht um, sie löste sich nicht auf, sie rannte nicht davon, man konnte sie nicht in Gefäße stecken und nachschauen, wie viele Marmeladengläser oder Fingerhüte oder Socken sie füllte. Sie war nicht da und gleichzeitig doch. Die Unbegreiflichkeit der Zeit, die er so deutlich spürte, ohne sie zu sehen, quälte ihn schrecklich. Wimmernd wartete er, wartete, wartete. Bis endlich das Feuer zu summen anfing, weil woanders der Feuersänger mit seinem Stab Melodien hineinkratzte. Unbeholfene Melodien, nicht so schön wie sonst, aber man hörte doch, wer es war, weil es Melodien waren und nicht nur Knistern und Knacken.
    Sil streckte die Hände aus, streckte sie nach den hellen, lichtblauen Flammen aus, die hier in seinem Versteck tief unter der Erde für ihn tanzten, steckte sie tief hinein. Das Feuer biss nicht. Hinter den blauen Flammen spürte er das orangefarbene, heiße Feuer der anderen Welt knistern, in der das Schreckliche geschehen war, spürte den Feuersänger dahinter, der die Flammen heißer und lauter machte und dafür sorgte, dass sie sangen. Sil wimmerte, weil all das Gewicht der schrecklichen Zeit noch immer auf ihm lastete, auch wenn sie jetzt vorbei war, auch wenn er genug gewartet hatte, dann stürzte er sich in die blauen Flammen. Sie wurden orange und heiß, sie bissen nach ihm, und er purzelte auf der anderen Seite des Feuers hinaus, direkt vor die Füße des Feuersängers, der ihn verdutzt anstarrte.
    »Schlimmschlimm«, stöhnte Sil hilflos. »Schlimmschlimm!«
    »Schscht«, machte der Feuersänger erschrocken, sah sich rasch um und ergriff Sil, um ihn in seine Tasche

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