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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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auf
     seinem T-Shirt, noch bevor er begriff, um was es sich da handelte. Als Mike aus dem Bett sprang und rief: »Er hat angefangen,
     er hat mich zuerst gehauen«, schlug sein Vater ihn so fest mit dem Handrücken, dass Mike gegen die Wand geschleudert wurde.
    »Bill!«
    Ihre Mutter, die ebenfalls die Treppe hinaufgekommen war, ohne dass Nick es überhaupt bemerkt hatte, huschte wie ein Schatten
     an ihm vorbei, so schnell, dass Nick regelrecht einen Windhauch fühlte. Sie umklammerte die Arme ihres Mannes. Zwar behauptete
     sein Vater später immer, er habe beim Umdrehen seine Mutter versehentlich am Kinn erwischt, aber Nick wurde nie mehr die Gewissheit
     los, dass er eine Millisekunde, bevor der Arm seines Vaters zurückschnellte und seine Mutter plötzlich zwischen den Betten
     auf dem Rücken lag und sich den Kopf hielt, einen kurzen Blickkontakt zwischen seinen Eltern beobachtet hatte.
    Ihr Vater erstarrte. Nick und sein Bruder erstarrten. Selbst die Luft erstarrte.
    Seiner Mutter entwich ein leises Seufzen: »Oh!« Sie klang eher überrascht als verletzt, so als sei sie von einem Nickerchen
     erwacht, das sie gar nicht hatte halten wollen. Ihre Füße ruhten flach auf dem Boden, ihre Knie waren angewinkelt, als wolle
     sie im nächsten Moment ein paar Klappmesser machen. Es war ihr entgangen oder gleichgültig, dass ihr Rock in dieser Haltung
     seinen Dienst versagte. Nick konnte einfach nicht aufhören hinzuglotzen. Er hatte seine Mutter kaum je im Nachthemd gesehenund erst recht nicht in diesem beklagenswerten, entblößten Zustand. Das machte den »Unfall« seines Vaters umso verabscheuungswürdiger
     – und sein eigenes Glotzen umso ruchloser. Mike bekam sein Stieren mit und funkelte ihn wild an, sein Blick stemmte sich gegen
     den von Nick, während beide darauf warteten, was als Nächstes passieren würde. Aber Nick konnte einfach nicht wegsehen, bis
     dann sein Vater in Bewegung kam. Er stürzte zu seiner Frau, die plötzlich eine Hand hochreckte, die Finger gespreizt. Nick
     fragte sich, wie sie, obwohl sie immer noch mit den Händen vorm Gesicht auf dem Rücken lag, hatte wissen können, dass sein
     Vater auf sie zukam. Aber diese Hand, die zwischen den Betten emporragte, schien alles zu kontrollieren, was nun in diesem
     Zimmer geschehen und was danach sein würde. Das Licht aus dem Flur verwandelte ihn in eine Silhouette, deshalb konnte Nick
     nicht erkennen, wen sein Vater ansah, als er sich umwandte und sagte: »Du miserables kleines Würstchen.«
    Mike zeigte der inzwischen leeren Tür den Stinkefinger und wandte sich seiner Mutter zu. Nick beobachtete, wie er sich ihr
     zögerlich näherte. Er beugte sich über sie, so als wolle er ihren Rock wieder richten, seine langen Arme staksten aus dem
     Pyjamaoberteil hervor, aus dem er allmählich herauswuchs. Er hielt inne, ganz offensichtlich war er sich nicht im Klaren,
     wie er an eine solch delikate Aufgabe herangehen sollte. Schließlich berührte er nur ihr Knie.
    »Mom?«
    Sie setzte sich mit einem Ächzen auf und zog einen Moment später ihren Rock herunter. Ein paar Augenblicke verharrte sie so
     und tupfte ihren Kiefer ab, so wie Nick sie es oft mit einem Puderpinsel hatte tun sehen, wenn sie sich vor dem Essengehen
     mit ihrem Vater fertigmachte. Schließlich stützte sie sich auf Mikes Bett ab und richtete sich langsam auf.
    »Danke, mein Schatz«, sagte sie zu Mike, als der versuchte, ihr aufzuhelfen. Sie befahl den beiden, zu Bett zu gehen, und
     ermahnte sie, mit dem dummen Zanken und Streiten aufzuhören. Vom Bett aus sah Nick zu, wie sie sich zu Mike beugte und ihm
     über die Wange streichelte.
    »Ist alles in Ordnung, Michael?«, fragte sie. Mike nickte und wackelte dabei mit dem Kopf wie ein Idiot. Nick wusste, dass
     er das machte, um die Tränen zurückzuhalten. Seine Mutter beugte sich wieder zu ihm hinab und küsste ihn auf die Stirn. Damit
     war für Nick klar, dass er seinen Bruder hasste.
    »Er hat dich vorher noch nie geschlagen, nicht wahr?«, sagte sie. Es war eine Feststellung, keine Frage. Mike, der immer noch
     mit den Tränen rang, schüttelte vehement den Kopf. »Und ich muss erst gar nicht mit ihm sprechen, um zu wissen, dass er es
     auch nicht noch einmal macht. Hast du gehört, was ich dir gesagt habe, mein Liebling?«
    Ein weiteres tränenreiches Nicken.
    »Das musst du dir unbedingt merken.«
    Schon damals hatte Nick es komisch gefunden, dass seine Mutter so etwas sagte. Aber er war viel zu besorgt gewesen, aus

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