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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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der
     Interessensphäre seiner Mutter ausgeschlossen zu werden, um dem Gedanken große Beachtung zu schenken. Sogar die Worte hatte
     er vergessen, erst ein paar Jahre später waren sie ihm wieder eingefallen, nachdem sie schon gestorben war.
    »Und was ist mir dir?«, rief Nick – hauptsächlich, um die Aufmerksamkeit seiner Mutter zu erringen, weniger aus bewusster
     Sorge.
    Seine Mutter wandte den Blick und sah – endlich! – Nicks blutige Nase und das besudelte T-Shirt.
    »O mein Gott!«, rief sie aus. »Komm her, wir machen dich sauber.«
    Mit Leichtigkeit konnte Nick sich später jederzeit an den warmen Waschlappen und den heißen Wasserdampf erinnern, der vom
     Waschbecken aufstieg. Im Spiegel darüber betrachtete er das Profil seiner Mutter und fand Trost in der Art, wie die Fältchen
     unter ihren Augen tiefer wurden und ihre Lippen sich strafften, während sie versuchte, das schon halb getrocknete Blut von
     seiner Oberlippe und Nase wegzuwischen. Er empfand seiner Mutter gegenüber eine seltsame Dankbarkeit dafür, dass sie all das
     bewerkstelligte. Sie half ihm aus seinem schmutzigen T-Shirt und zog ihm ein frisches an, dann packte sie ihn wieder ins Bett.
     An der Tür blieb sie noch einmal stehen.
    »Ihr beide müsst lernen, nicht nur Brüder zu sein, sondern auch Freunde«, sagte sie.
    Danach lagen sie schweigend in ihren Betten und lauschten auf jeden Laut, der von unten heraufdrang. Aber alles, was Nick
     hörte, waren die üblichen nächtlichen Geräusche: das Surren im Haus, das näherkommende und wieder abklingende Rauschen vorbeifahrender
     Autos, den Atem seines Bruders. Nick war jetzt erschöpft und kurz davor einzuschlafen, da hörte er eine Stimme an seinem Ohr.
    »Siehst du, was ich meine, du Heulsuse. Selbst Dad sagt, dass du nur ein kleines Würstchen hast. Mom findet das vermutlich
     auch.«
    Nick grinste in seinen Kaffee hinein. Mike ließ wirklich nichts anbrennen. Kein Wunder, dass er so ein guter Verkäufer war.
    Er reichte Marcy die Speisekarte. »Du hattest gesagt, es ginge um Dad.«
    »Bist du sicher, dass du nicht lieber über Peggy Gallagher reden würdest?« Das war Marcys Friedensangebot, und Nick wollte
     es schon annehmen, da warf Marcy die Speisekarte auf den Tisch und theatralisch die Arme hoch. »Ist ja schon gut,mach dir nicht gleich in die Hosen. Ich komme sofort zur Sache. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Dad bald stirbt.«
    Die Kellnerin erschien und fragte, ob sie sich schon für etwas entschieden hätten. Marcy gab Nick wedelnd zu verstehen, er
     solle schon bestellen, während sie die Speisekarte überflog. Nachdem er sich ein Sandwich mit Schinken, Tomaten und Salat
     bestellt hatte, klappte sie die Karte zu und sagte, sie nehme dasselbe und eine Tasse Kaffee. Schwarz.
    »Was hat er?«, fragte Nick, als die Kellnerin wieder weg war.
    Marcy starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Das ist alles?
Was hat er? «
    Nick wandte den Blick ab. »Ich weiß, wie sich das anhört, aber wir wissen doch beide, dass es früher oder später passieren
     wird, oder?« Er wartete einen Augenblick, bis seine Verlegenheit abgeklungen war. »Weshalb glaubst du denn, dass er stirbt?«,
     fragte er erneut.
    »Er ist plötzlich so nett.«
    Nick lehnte sich gegen das Vinylpolster der Sitzbank. »Ach so. Die gefürchtete Nett-Diagnose. Wie lange hat er noch zu leben,
     Doc?«
    Marcy schloss die Augen. Sie schüttelte den Kopf und rollte die Schultern, als lockere sie sich für einen Lauf. Dann murmelte
     sie etwas in sich hinein, wie bei einem leisen Gebet. Nick vermutete, dass es irgendeine Beruhigungsformel war. War Marcy
     in Therapie?
    »Fangen wir noch mal von vorn an«, sagte sie und tat dann genau dies. Sie erzählte Nick von dem Anruf ihres Vaters und dem
     Zustand, in dem das Haus gewesen war. Sie erzählte schnell und in aller Ausführlichkeit, Nick hatte kaum Gelegenheit zurückzufragen.
     Es erinnerte ihn an ihre Jugend, die Zeit, als Mike schon ständig zu seinen Verabredungen unterwegs gewesen war.Da war Marcy oft in Nicks Zimmer gekommen, hatte sich über die jüngsten Greueltaten ihres Vaters beklagt und gejammert, wie
     sehr sie ihre Mutter vermisste.
    Damals wie heute wusste Nick, dass er sie eigentlich hätte trösten sollen, aber eigentlich fand er, dass sie sich durchaus
     ein bisschen mehr am Riemen reißen konnte. Sie war nicht die Einzige, die mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Also
     hatte er damals auf seinem Bett gesessen, den Kopf an das

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