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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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Kopfende gelehnt und zur Seite oder nach unten geblickt, wenn sie
     anfing zu weinen. Selbst in jener Nacht, als sie beinahe hysterisch zu ihm gekommen war und lamentiert hatte, dass eine der
     Freundinnen ihres Übernachtungsbesuchs ihre Eltern angerufen hatte, damit sie sie abholten, weil der Alte ins Wohnzimmer gekommen
     war, um Marcy etwas zu sagen, und dabei sturzbetrunken hingefallen war. »Voll auf die Fresse«, hatte Marcy geflennt. »Sie
     hat sich zu Tode eschreckt.«
    Nick hatte gelacht. Eine andere Reaktion war ihm nicht eingefallen. Marcys Freundin hatte nichts zu befürchten gehabt, und
     selbst jetzt noch kam Nick die Szene urkomisch vor: Sein Vater kommt rein, vielleicht torkelt er ein bisschen, und dann –
     bamm! Da musste man doch einfach lachen!
    »Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Marcy jetzt.
    »Natürlich«, antwortete Nick. »Was schlägst du also vor?«
    »Verdammt, Nick. Ich wusste doch, dass du nicht zugehört hast. Ich habe dir gerade gesagt: Sunrise. Das ist eine Einrichtung
     für betreutes Wohnen. Eins von den Mädels im Büro hat ihre Mutter dort untergebracht, und die ist ganz begeistert.«
    »Hast du schon mit Dad darüber gesprochen?«
    »Noch nicht.«
    Nick kicherte. »Na dann viel Glück.«
    Marcy schaute aus dem Fenster. »Verstehst du, das ist dochgenau einer der Gründe, weshalb ich mit dir reden wollte. Ich dachte mir, wenn nicht nur ich allein mit ihm rede, hört er
     vielleicht zu.« Marcy unterbrach sich, und als Nick nichts sagte, fügte sie hinzu: »Insbesondere, weil er sowieso versucht,
     uns drei mal wieder zusammenzubringen.«
    »Welche drei?«
    » Welche?
Na, welche denn wohl? Uns. Dich, mich und Mike. Dann könnten wir doch einfach seine Idee zweckentfremden und bei der Gelegenheit
     über unsere sprechen.«
    »Ich blicke nicht durch«, sagte Nick. »Wer will uns wiedersehen?«
    »Über wen haben wir denn gerade geredet, Nick?« Marcy sprach inzwischen im Tonfall einer Lehrerin vor Zweitklässlern. Den
     kannte er noch nicht an ihr, seine Nichte dafür aber vermutlich umso besser, die Arme. »Über deinen Vater? Kannst du dich
     noch an den erinnern? Er will, dass wir alle zusammenkommen. Noch ein Indiz dafür, dass er bald stirbt.«
    »Er hat dir allen Ernstes erzählt, dass er uns drei wiedersehen will?«
    »Glaubst du, ich denke mir so was aus? Natürlich hat er es mir erzählt. Und Mike auch.«
    »Er hat Mike angerufen?«
    Marcy machte eine abwehrende Handbewegung. »Jetzt fang nicht gleich wieder mit dieser Eifersucht auf deinen Bruder an, Nicky.
     Ich glaube, er hat Mike nur versehentlich angerufen.«
    Nick spielte an einem Zuckerpäckchen herum. Marcy erzählte ihm nicht die ganze Wahrheit, das spürte er haargenau. »Damit ich
     es richtig verstehe«, sagte er. »Dad will aus irgendeinem Grund, dass wir mal wieder zusammenkommen – vielleicht, um die ganzen
     alten Erinnerungen wiederzubeleben, die der JackDaniels fortgespült hat. Und du willst die Gelegenheit nutzen und ihn dazu überreden, in ein Altenheim zu ziehen.«
    »In ein Haus für betreutes Wohnen, und das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun, du Schwachkopf.«
    Sie verbarg todsicher etwas.
Nick fiel wieder etwas ein, was Marcy ihm ein paar Minuten zuvor erzählt hatte. Nämlich, dass sie in den letzten Wochen viel
     ihrer Zeit damit verbracht hatte, manchmal auch zusammen mit April, die alte Bude wieder »in Schuss zu bringen«.
    »Und was schlägst du vor, was wir mit dem Haus machen sollen?«, fragte er.
    Marcy wurde rot. »Was soll das heißen?«, fragte sie.
    Treffer.
    »Na ja … du hast dir das ja alles offensichtlich schon gut überlegt. Hast du auch eine Idee, wer vielleicht das Haus verkaufen
     könnte, wenn Dad erst mal ausgezogen ist?«
    »Denkst du etwa, darum geht es?«
    Nick zuckte die Achseln.
    Marcy stand auf. »Ich werde dem Alten sagen, dass du zu viel zu tun hast, um ihn wiederzusehen«, erklärte sie. »Ruf ihn an,
     falls du deine Meinung ändern solltest.«
    Nick musterte den Strudel, den er mit seinem Löffel im Kaffee fabriziert hatte. Er wollte nicht, dass sie ging. Nachdem Marilyn
     gestorben war, hatte er sehr lange geglaubt, dass sie ihm irgendwie von da oben zuschaute, dass sie ihm irgendwie Trost und
     Rat schickte und ihm half, keine Sachen anzustellen, die sie schauderhaft gefunden hätte. Aber was er da gerade gemacht hatte,
     überzeugte ihn endgültig davon, dass Marilyn doch nicht in irgendeiner anderen Lebensform oder Kraft

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