Die fernen Tage der Liebe
frei herauszuposaunen, was sie dachte?
»Den Anruf übernehme ich«, sagte er. »Wir besuchen Power-I nicht mehr, Stef.«
Stephanie reagierte nicht.
»Eine rein kaufmännische Entscheidung«, fuhr Mike fort. »Die Margen sind nicht groß genug, um eine eigene Kundenbetreuerin
zu rechtfertigen. Das soll der Telefonverkauf übernehmen.«
Stephanie schwieg noch einen Moment. Dann sah sie Mike direkt in die Augen. »Der Umsatz ist gegenüber dem Vorjahresmonat um
zehn Prozent gestiegen«, erklärte sie in sachlichem Ton. »Sie gewinnen gerade neue Kunden. Zwei große in Asien. Und dein Argument
mit den Margen ist doch Blödsinn.«
»Stephanie.«
»Dieser Kunde ist mein Brotverdienst, Michael, das weißt du ganz genau. Wenn wir den nicht mehr besuchen, dann …« Sie kniff
die Augen zusammen. Dann lehnte sie sich auf ihrer Bank zurück. »Verstehe«, sagte sie.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, erklärte Mike und zwang sich dazu, ihr jetzt in die Augen zu sehen. »So was passiert schon
mal. Du musst dir einfach einen neuen Kundenstamm erarbeiten, der einen größeren Bedarf an unseren teureren Artikeln hat.
Und ich habe dir schon ein paar Mal erklärt, wie wichtig es ist, immer etwas in der Pipeline zu haben.«
»Klar«, antwortete Stephanie, der man Angst vor Blickkontakt nun wirklich nicht nachsagen konnte. »Die Pipeline.«
Mike senkte den Blick auf seine Tasse. »Ich bin fest überzeugt, du hast bald ein paar fette Aufträge am Haken. Du besitzt
das nötige Köpfchen, die Motivation, den …«
»Hör auf damit!«, befahl Stephanie und hob warnend die Augenbrauen. »Ich bin nicht in der Stimmung für irgendeinen Motivationsscheiß
für Klinkenputzer. Vielleicht kannst du mir liebermal sagen, wovon ich jetzt die Miete bezahlen soll, wo sich neunzig Prozent meines Einkommens gerade in Luft aufgelöst haben.«
Mike schüttelte den Kopf und versuchte, gleichzeitig mitfühlend und entschieden zu wirken. »Dass dieser Job auf Provisionsbasis
lief, hast du doch gewusst, als du ihn angenommen hast, Stef. Man darf eben nicht alle Eier in einen Korb legen.«
»Ist das das Geheimnis deines Erfolgs, Michael? Dass du so viele Körbe hast, in die du deine Eier legen kannst?«
Mike unterdrückte das Verlangen, sich umzusehen. Er spürte die Augen der Kellnerin auf seinem Hinterkopf wie Infrarot-Zielpunkte.
»Vielleicht wäre es besser, wenn du ein bisschen leiser redest, Stef.«
»Ach ja?«
Er wartete. Normalerweise beruhigte sie sich immer schnell, aber das hier war Neuland. Er war versucht, auf seine Uhr zu schauen.
Der Termin bei Power-I war in fünfzehn Minuten. Er würde die Auftragsbestätigung für die Bestellung abholen, die Stephanie
gestern Abend losgeworden war, und dann erklären, wie die »kundenorientierten« Telefonverkäufer von Transcon sich in Zukunft
um die Bedürfnisse von Power-I kümmern würden. Das würde dem geilen alten Mistkerl dort zwar nicht gefallen, besonders beim
Gedanken an Stephanies Titten, aber seine Firma brauchte ja trotzdem noch einiges aus der Produktpalette von Transcon. Mikes
Zahlen würden nicht komplett in den Keller rutschen.
»Hör zu«, sagte Mike. Er streckte den Arm über den Tisch aus und ergriff ihre Hand. Sie wehrte sich nicht, wie er es befürchtet
hatte. »Tu ein paar solide Kunden auf, und wenn ich das nächste Mal da bin, rufen wir sie gemeinsam an.«
»Aha. Und wann soll das sein?«
»Sobald du willst. Das weißt du doch, Stef.« Mike drückte ihre Hand. »Wir sollten das Geschäftliche nicht mit uns beiden durcheinanderbringen.«
Stephanie atmete tief ein und legte dann ihre Hand auf Mikes. »Eigentlich sollte ich dir sagen, dass du mich mal am Arsch
lecken kannst!«
Mike lächelte. Krise bewältigt. Fürs Erste. »Aber das machst du nicht, oder?«, fragte er und warf mit der freien Hand einen
Zwanziger auf den Tisch.
»Nein, mache ich nicht« antwortete Stephanie. »Aber ich rate dir, mich nicht zu verscheißern. Sonst könnte es nämlich ziemlich
hässlich werden. Und zwar ganz fix.«
Daran hatte Mike nicht den geringsten Zweifel. »Ich glaube, dafür kennst du mich doch gut genug«, sagte er und stand auf.
Als er vom Parkplatz fuhr, sah er im Rückspiegel Edna an Stephanies Nische stehen. Sie hielt die Kaffeekanne in der Hand und
redete mit Stephanie, die den Kopf gesenkt hatte, als studiere sie etwas auf dem Tisch.
Mike sah auf seine Uhr. Er würde ein paar Minuten zu spät zu seinem Termin kommen, aber
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