Die Festung der Perle
daß der Reiter keine feindseligen Absichten hegte, sondern rein zufällig vorbeikam und ihm jetzt helfen wollte, rief er laut: »Bring dich lieber in Sicherheit! Dies ist ein übernatürliches Ungeheuer und kann nicht auf herkömmliche Art und Weise getötet werden.«
Die Stimme, die antwortete, war tief und vibrierend, ja fast fröhlich. »Darüber bin ich mir im klaren, mein Bester. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du es so lange in Schach hieltest, bis ich seine Aufmerksamkeit auf mich gelenkt habe.« Er wendete sein seltsames Reittier und trabte davon. Das übernatürliche Wesen ließ sich allerdings nicht so leicht täuschen. Man hatte ihm offenbar sein Opfer genau beschrieben. Es schnupperte kurz und suchte Elrics Witterung aufs neue.
Der Albino lag hinter einer Düne und sammelte seine Kräfte. Da fiel ihm ein Zauber ein, der zwar nicht sehr stark war aber zusammen mit der zusätzlichen Energie, die er dem Dämon schon entzogen hatte, ausreichen könnte. Elric stimmte ein Zauberlied in der uralten, schönen musikalischen Sprache an, die man Hochmelnibonisch nannte. Dabei ließ er mit seltsamen, anmutigen Handbewegungen Sand durch die Finger gleiten. Allmählich formten die Sandkörner eine Spirale, die sich nach oben drehte. Immer schneller wirbelte sie im fahlen Lichte des Mondes.
Das Katzenbiest knurrte und stürzte auf Elric zu. Dieser stand vor der wirbelnden Spirale. Erst im letzten Augenblick sprang er beiseite. Die Stimme der Spirale wurde höher. Es war nur ein einfacher Zauber, den man jungen Zauberern lehrte, um sie zu ermutigen. Doch genügte es, um den Dämon lange genug zu blenden, daß Elric angreifen und ihm die Klinge direkt unterhalb der Klauen in die Eingeweide stoßen konnte.
»Oh! Das ist zuviel! Zuviel!« Das Ungeheuer wand sich im Todeskampf, während seine dämonische Lebenskraft sich in Elric ergoß. Einmal schrie die Riesenkatze noch auf. Dann war sie tot.
Keuchend lag Elric auf dem Sand und sah zu, wie das Monster langsam zu Nichts verblaßte und in die Regionen zurückkehrte, aus denen man es heraufbeschworen hatte. Einige Sekunden lang wollte der Albino dem Dämon in dessen Heimat folgen, als die gestohlene Energie aus seinen Eingeweiden zu bersten drohte, aus seinem Blut und seinen Knochen. Doch wußte Elric aus früherer Zeit, wie er dieser Lust widerstehen konnte. Nach kurzem inneren Kampf hatte er die Beherrschung über sich zurückgewonnen. Langsam erhob er sich. Da drang Hufschlag an sein Ohr.
Schon wirbelte er mit gezücktem Schwert herum. Doch es war nur der Reiter, der vorher versucht hatte, ihm zu helfen. Sturmbringer spürte diese Dankbarkeit nicht, sondern bebte in Elrics Hand. Er war bereit, die Seele dieses Freundes ebenso aufzusaugen wie zuvor die Seelen der Feinde.
»Nein!« Der Albino zwang die Klinge in die Scheide. Von der Energie des Dämonen war ihm beinahe übel. Trotzdem überwand er sich und begrüßte den Fremden mit tiefer Verneigung. »Ich danke dir für deine Hilfe, Fremdling. Ich hatte nicht erwartet, so nahe bei Quarzhasaat auf einen Freund zu stoßen.«
Der junge Mann betrachtete Elric wohlwollend und freundlich. Er sah ungemein gut aus. Dunkle, feuchte Augen glänzten in dem schwarzen, gutgeschnittenen Gesicht. Auf dem kurzen Kraushaar saß eine Kappe, die mit Pfauenfedern geschmückt war. Jacke und Beinkleider waren aus schwarzem Samt und mit Goldfäden bestickt. Darüber hatte er einen hellen Umhang mit Kapuze geworfen, wie ihn die Bewohner der Wüste in diesen Gegenden zu tragen pflegten. Sein Reittier glich mit dem großen Buckel über den Schultern und den gespaltenen Hufen den Rindern aus dem südlichen Erdteil, die Elric auf alten Schriftrollen abgebildet gesehen hatte.
Am Gürtel des jungen Mannes hing ein reich geschnitzter Stab mit gekrümmtem Griff. Die Länge des Stabes entsprach etwa der halben Größe des Mannes. An der anderen Seite hing ein einfaches Schwert mit einem flachen Griff.
»Und ich hatte nicht damit gerechnet, einen Herrscher von Melniboné in dieser Gegend zu treffen«, sagte der Mann leicht spöttisch. »Sei gegrüßt, Prinz Elric. Es ist mir eine Ehre, deine Bekanntschaft zu machen.«
»Wir sind uns noch nie begegnet. Woher kennst du meinen Namen?«
»Ach, solche Tricks sind für jemanden meines Gewerbes ein Kinderspiel, Prinz Elric. Ich heiße Alnac Kreb und bin auf dem Wege zu der Oase, die man die Oase der Silberblume nennt. Wollen wir zu deinem Lager zurückkehren und zu deinem Pferd? Ich kann dir die
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