Die Festung der Perle
Freude aller. Vielleicht wird sie mit deiner Hilfe wieder zu diesem Mädchen.«
Alnacs Gesicht verdüsterte sich. »Du darfst nicht zu viel von mir erhoffen, Raik Na Seem. Ich bin nur ein sehr unerfahrener Traumdieb. Das würden dir alle bestätigen, die mit mir dies Gewerbe erlernten.«
»Aber du bist unser Traumdieb.« Raik Na Seem lächelte wehmütig und legte Alnac Kreb die Hand auf die Schulter. »Und du bist unser guter Freund.«
Die Sonne war schon untergegangen, als sie das große Bronzezelt erreichten. Es ähnelte den Zelten, die Elric in der Oase der Silberblume gesehen hatte, war nur um ein Vielfaches größer. Seine Wände waren aus reiner Bronze.
Direkt über dem Zelt stand der Mond. Die Sonnenstrahlen schienen noch nach ihm zu greifen, obwohl sie schon unter dem Horizont verschwunden waren. Sie tauchten seine Scheibe in solch herrliche Farben, wie Elric sie nie in Melniboné oder in den Jungen Königreichen erlebt hatte. Mit einem Mal war ihm der Sinn der Prophezeihung klar.
Ein Blutmond war über dem Bronzezelt aufgestiegen. Hier würde er den Weg zur Festung der Perle finden.
Obwohl dies bedeutete, daß sein Leben vielleicht gerettet war, versetzte diese Erkenntnis den Prinzen von Melniboné nur in große Unruhe.
Kapitel 5
Das Gelübde des Traumdiebes
»Hier ist unser Schatz«, sagte Raik Na Seem. »Hier ist das, was das habgierige Quarzhasaat stehlen wollte.« In seiner Stimme klangen Wut und Trauer.
Sie befanden sich im kühlen Zentrum des Bronzezelts. Winzige Lampen brannten über Hunderten von Kissen und Teppichen, auf denen Männer und Frauen in allen möglichen Meditationshaltungen saßen und lagen. In der Mitte des Raumes erhob sich ein geschnitztes Bett, das mit wunderschönen Intarsien aus Perlmutt, blassem Türkis, milchiger Jade, Silberfiligran und Goldplättchen verziert war. Darauflag mit über der Brust gefalteten Händen ein ungefähr dreizehnjähriges Mädchen. Sie besaß die ausgeprägte Schönheit ihres Volkes. Das honigfarbene Haar umspielte das leicht gebräunte Gesicht. Die Brust hob und senkte sich ganz regelmäßig, so daß man hätte denken können, sie schliefe ganz normal, wäre da nicht die verblüffende Tatsache, daß ihre Augen, die so blau wie das herrliche Vilmirische Meer waren, starr zum Dach des Bronzezelts emporblickten.
»Mein Volk glaubte, Quarzhasaat habe sich für alle Zeiten selbst zerstört«, sagte Elric. »Ich wünschte, daß dem so wäre oder daß Melniboné nicht so arrogant gewesen sei und zu Ende geführt hätte, was ihre Magier begonnen hatten.« Nur selten verriet der Albino solch starke Abneigungen gegen Völker, die sein Volk besiegt hatte; aber jetzt hatte sein abgrundtiefer Haß auf Lord Gho die Oberhand gewonnen. Er war sicher, daß nur dessen Männer diese Schandtat begangen hatten. Die Art dieses Zaubers war ihm bekannt, da er selbst einiges in dieser Richtung gelernt hatte. Allerdings hatte sein Vetter Yyrkoon sich für diese Künste weit mehr interessiert und sich auch im Gegensatz zu Elric regelmäßig darin geübt.
»Aber wer kann Varadia jetzt retten?« fragte Raik Na Seem leise, dem Elrics Gefühlsausbruch in diesem Raum der Meditation etwas peinlich zu sein schien.
Der Albino machte eine entschuldigende Geste. »Gibt es keine Tränke, die sie aus dem Schlummer wecken?«
Raik Na Seem schüttelte den Kopf. »Wir haben alle befragt. Der Zauber wurde von dem Anführer der Sperber-Sekte verhängt. Leider haben wir ihn bei unserer überstürzten Rache umgebracht.«
Aus Rücksicht auf die im Bronzezelt in Meditation versunkenen Menschen führte Raik Na Seem sie wieder hinaus in die Wüste. Hier standen Wachposten. Ihre Fackeln warfen riesenhafte Schatten auf den Sand. Die Strahlen des rubinroten Mondes tauchten alles in purpurrot. Es sah aus, als ertränken sie in einem Meer aus Blut. Elric wurde daran erinnert, wie er als Jüngling in die Tiefen seines Actorios geblickt hatte. Damals hatte er sich vorgestellt, der Edelstein sei ein Tor in andere Länder, wobei jede Facette ein neues Reich darstellte. Zu dieser Zeit hatte der Prinz schon viel über das Multiversum und seinen Aufbau gelesen.
»Stiehl diesen Traum, der sie gefangen hält, Alnac Kreb!« sagte Raik Na Seem. »Dann gehört alles, was wir besitzen, dir.«
Der stattliche Schwarze schüttelte den Kopf. »Ihre Rettung wäre Belohnung genug für mich, Vater. Doch fürchte ich, daß mein Können nicht ausreicht… Hat es denn noch niemand versucht?«
»Man hat uns
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