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Die Festung der Perle

Die Festung der Perle

Titel: Die Festung der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Katze auf die Schulter und fing an, in seiner Kleidung zu wühlen. Zuerst in den Ärmeln, dann im Hemd und in allen möglichen anderen Taschen. Er holte Schriftrollen, Papiere, kleine Bücher, Schachteln, Puderdosen, Schreibutensilien und Schnüre heraus. Endlich fand er mit einem Freudenschrei ein zusammengerolltes Pergament. »Da ist es. Das ist unsere Karte - glaube ich zumindest.« Er steckte alle anderen Gegenstände wieder dorthin, woher er sie geholt hatte, und entrollte das Pergament. »In der Tat! In der Tat! Dies zeigt uns den Weg durch die Berge dort drüben.«
    »Belehrende Ratschläge …«, begann Elric.
    »Und hüte dich vor dem Vertrauten«, sagte Oone leise. Dann winkte sie ab. »Siehst du, hier haben wir bereits einen Konflikt. Was für dich fremd ist, ist mir völlig vertraut. Das ist Teil der Eigenart dieses Landes.« Sie wandte sich an Jaspar Colinadous. »Darf ich einen Blick auf die Karte werfen?«
    Ohne zu zögern reichte ihr der kleine Mann das Pergament. »Eine schnurgerade Straße. Es ist doch immer so eine gerade Straße, oder? Und auch nur eine einzige. Das ist das Schöne bei diesen Traumreichen. Man kann sie so einfach auslegen und kontrollieren. Es sei denn, sie verschlingen einen, was sie aber für gewöhnlich nicht tun.«
    »Du hast mir gegenüber einen großen Vorteil«, sagte Elric. »Ich weiß nämlich überhaupt nichts über diese Welt. Ich hatte auch keine Ahnung, daß es noch andere wie diese gibt.«
    »Aha! Dann kannst du dich auf viele Wunder freuen, mein Freund! Du wirst fantastische Sachen sehen. Ich würde dir gern mehr davon erzählen, aber mein Gedächtnis ist nicht mehr das, was es einmal war. Häufig habe ich nur noch einen blassen Schimmer. Aber es gibt unendlich viele Welten, manche sind noch nicht geboren, manche so alt, daß sie senil geworden sind, manche sind aus Träumen geboren, manche von Alpträumen zerstört worden.« Jaspar Colinadous hielt verlegen inne. »Verzeih mir, ich habe mich in zu große Begeisterung gesteigert. Ich möchte dich nicht verwirren. Ich bin selbst etwas verwirrt, mußt du wissen, tja! Ergibt diese Karte Sinn für dich, verehrte Traumdiebin?«
    »Aye.« Oone brütete über dem Pergament. »Es gibt nur einen Paß durch diese Berge, die hier »Haifischrachen« heißen. Wenn wir davon ausgehen, daß die Berge im Norden liegen, müssen wir uns nach Nordosten wenden. Dort stoßen wir auf den »Haifischschlund« - so heißt die Stelle hier auf der Karte. Wir sind dir zu großem Dank verpflichtet, Jaspar Colinadous.« Sie rollte die Karte zusammen und gab sie zurück. Der kleine Mann verstaute sie im Ärmel. Die Katze kroch von der Schulter herab und machte es sich in seiner Armbeuge, wohlig schnurrend, gemütlich.
    Elric konnte sich einen Augenblick lang nicht des Gefühls erwehren, daß Oone dieses freundliche, hilfsbereite Individuum aus ihrer eigenen Phantasie herbeigerufen hatte. Aber er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Wesen mit solch einem Selbstvertrauen nicht eigenständig existieren sollte. Elric schoß der Gedanke durch den Kopf, ob er selbst nicht vielleicht ein Truggebilde sei.
    »Ihr wißt sicher, daß in diesem Paß Gefahren lauern«, sagte Jaspar Colinadous fröhlich. »Ich werde Schnurri als Kundschafter vorausschicken, wenn wir näher dran sind.«
    »Dafür wären wir dir ungemein dankbar«, sagte Oone.
    Sie marschierten durch die trostlose Wüste, wobei Jaspar Colinadous unentwegt Geschichten erzählte, von denen ihm jedoch meist nur die Hälfte einfiel, von Leuten, an deren Namen er sich nicht erinnern konnte und über bedeutende Ereignisse in der Geschichte vieler tausend Welten, deren Wichtigkeit ihm aber entfallen war. Ihm zuzuhören war so, als stünde man in den alten Hallen Imrryrs auf der Dracheninsel, wo einst große bunte Fenster die Geschichten erzählten, wie die ersten Melnibonéer ins Land gekommen waren und sich niedergelassen hatten. Jetzt aber waren diese Fenster zersprungen, so daß nur noch Fragmente der Geschichte existierten, leuchtende Scherben mit einzelnen Episoden, die auch die blühendste Phantasie nicht mehr in einen sinnvollen Zusammenhang bringen konnte. Die Geschichten, die diese Fenster zu erzählen hatten, waren auf ewig verloren. Elric gab es auf, Jaspars Geschichten verstehen zu wollen, und freute sich stattdessen - wie früher vor den bunten Glasscherben - an ihrer Struktur und ihrem Farbenreichtum.
    Das immer gleichbleibende Licht fing an, den Albino zu beunruhigen. Er unterbrach den

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