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Die Festung der Perle

Die Festung der Perle

Titel: Die Festung der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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bäumte sich auf, als der Mann kehrt machte und zurück in die Schwärze des Passes ritt. Ein Gefühl drohenden Unheils beschlich Elric; obwohl er den Reiter noch nie gesehen hatte, kam er ihm irgendwie bekannt vor.
    Oone und Jaspar hatten die Erscheinung offenbar nicht gesehen. Sie schritten unbeirrt weiter auf den Paß zu.
    Elric erwähnte den Reiter mit keinem Wort. Er fragte Oone stattdessen, wie es käme, daß sie weder Hunger noch Müdigkeit spürten, obwohl sie schon stundenlang marschiert seien.
    »Das ist einer der Vorzüge dieses Reiches«, antwortete sie. »Allerdings sind die Nachteile auch beträchtlich. Nur zu leicht verliert man jeglichen Sinn für die Zeit und vergißt daher oft Richtung und Ziel. Außerdem muß man sich immer vor Augen halten, daß man zwar keine körperliche Energie zu verlieren scheint, auch keinen Hunger fühlt, dabei aber andere Formen von Energie verbraucht: psychische und spirituelle Energie. Und diese sind ebenso wertvoll. Da stimmst du mir sicher zu. Bewahre diese Energien, Elric, denn du wirst sie bald schon bitter nötig haben!«
    Elric hätte gern gewußt, ob sie den fahlen Reiter auch gesehen hatte, brachte es aber aus irgendeinem Grund, den er nicht verstand, nicht fertig, sie danach zu fragen.
    Die Berge wurden höher, je näher sie dem Haifischrachen kamen. Auch das Licht wurde schwächer, da die Felswände es abschirmten. Elric überlief ein kalter Schauder, der nicht allein auf den Schatten zurückzuführen war.
    Jetzt hörte er lautes Rauschen. Jaspar Colinadous lief voraus und schaute über eine Felskante. Erstaunt drehte er sich um. »Eine tiefe Schlucht. Ein Fluß. Wir müssen eine Brücke finden, sonst können wir nicht hinüber.« Er murmelte seiner geflügelten Katze etwas ins Ohr, worauf sie sich in die Lüfte über dem Abgrund schwang und bald in der Dunkelheit verschwunden war.
    In der so entstandenen Zwangspause verdüsterte sich Elrics Stimmung. Seine körperlichen Bedürfhisse konnte er nicht mehr richtig einschätzen, er wußte nicht, was sich in der Welt abspielte, die er verlassen hatte, ihn quälte der Gedanke, daß die Zeit immer knapper wurde und daß Lord Gho bestimmt sein Wort halten und den jungen Anigh zu Tode foltern würde - all dies bedrückte ihn. Vielleicht war alles vergebliche Mühe, und er hatte sich auf ein Abenteuer eingelassen, das für alle nur schlimm enden konnte? Wie hatte er nur Oone so blind vertrauen können? Vielleicht hatte ihn der Tod Alnac Krebs so erschüttert…
    Da berührte Oone ihn an der Schulter. »Erinnere dich an das, was ich dir sagte. Hier bist du nicht körperlich müde, aber deine Stimmung sinkt. Du mußt dich um geistige Nahrung ebensosehr bemühen, wie sonst um Essen und Trinken.«
    Elric schaute ihr in die Augen und sah nur Wärme und Freundlichkeit. Augenblicklich schwand seine Verzweiflung. »Ich muß gestehen, ich fing an zu zweifeln, ob …«
    »Wenn dich dieses Gefühl wieder überkommt, sag es mir«, bat Oone. »Ich kenne diesen Zustand und kann dir vielleicht helfen.«
    »Dann bin ich also völlig in deiner Hand, Teuerste.« Er sagte das ohne jegliche Ironie.
    »Ich dachte, das hättest du verstanden, als du dich bereit erklärtest, mich zu begleiten?« meinte Oone ruhig.
    »Aye.« Er schaute zum Himmel empor. Und da kam auch schon Jaspars Katze zurück und ließ sich auf der Schulter ihres Herrn nieder. Der Mann mit dem Riesenturban hörte genau zu, was sie ihm ins Ohr miaute. Elric war sicher, daß er das Tier verstand. Dann nickte er.
    »Keine Viertelmeile von hier gibt es eine gute Brücke, die zu einem Pfad führt, der direkt durch den Paß geht. Schnurri berichtet mir, daß die Brücke von einem einzigen Krieger zu Pferd bewacht wird. Meiner Meinung nach können wir hoffen, daß er uns passieren läßt.«
    Sie folgten dem Flußlauf. Der Himmel über ihnen wurde dunkler und dunkler. Elric wünschte sich, daß er die Kälte, die ihn zittern ließ, ebensowenig spüren möge wie Hunger oder Müdigkeit. Nur Jaspar Colinadous machte die Kälte nichts aus.
    Die rauhen Felswände am Rand der Schlucht wölbten sich nach innen, dem Paß zu. Schon bald sahen sie die Brücke. Ein Felsenvorsprung reichte von einem Ufer zum anderen. Tief darunter rauschte der schäumende Wildbach. Sie hörten das Echo, als sich das Wasser über die Felskaskaden tief hinunter in die Schlucht ergoß. Doch nirgendwo war der Wachposten zu sehen, den die Katze angekündigt hatte.
    Vorsichtig übernahm Elric jetzt die Spitze.

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