Die Festung der Perle
auf. Die Pferde schnaubten vor Angst und verloren den sicheren Tritt. Auch Elric wäre beinahe in eine Spalte gefallen, die sich urplötzlich vor ihm auftat. Es war wie ein schweres Erdbeben. Doch als sie in den nächsten Innenhof gelangten, lag dort nur schöner Rasen vor ihnen. Alle Spuren des Erdbebens waren verschwunden.
Ein Mann kam ihnen entgegen. Von der Haltung ähnelte er Königin Zephir, allerdings war er älter und kleiner. Sein weißer Bart hing über einer Robe aus goldgewirktem Stoff. Er trug ein Tablett mit zwei Lederbeuteln. »Nehmt ihr die Autorität der Festung der Perle an?« fragte er. »Ich bin der Seneschall.«
»Wem dienst du?« fragte Elric barsch. Immer noch hielt er das Schwert in der Hand, und er gab sich keine Mühe zu verbergen, daß er es jederzeit benutzen würde.
Erstaunt blickte ihn der Seneschall an. »Der Perle natürlich. Dies ist die Festung der Perle.«
»Wer herrscht hier, Alter?« fragte Oone.
»Die Perle. Das habe ich doch gesagt.«
»Herrscht niemand über die Perle?« Elric war verwirrt.
»Jetzt nicht mehr, Herr. Wollt ihr also dies Gold nehmen und wieder gehen? Wir wollen nicht noch mehr Energien auf euch verschwenden. Sie werden schwächer, sind aber noch lange nicht erschöpft. Ich glaube, ihr werdet bald aufgelöst sein.«
»Wir haben alle eure Verteidiger besiegt«, sagte Oone. »Warum sollten wir Gold wollen?«
»Dann begehrt ihr nicht die Perle?«
Ehe Elric antworten konnte, brachte Oone ihn mit einer warnenden Handbewegung zum Schweigen.
»Wir kommen nur, um die Freilassung des Heiligen Mädchens zu sichern.«
Der Seneschall lächelte. »Das haben alle behauptet.
Aber in Wirklichkeit wollen alle nur die Perle. Ich glaube dir nicht, Lady.«
»Wie beweisen wir dir, daß wir die Wahrheit sagen?«
»Gar nicht! Wir kennen die Wahrheit bereits.«
»Wir haben kein Interesse zu feilschen, Seneschall. Wenn du der Perle dienst, wem dient dann die Perle?«
»Dem Kind, glaube ich.« Er runzelte die Stirn. Oones Frage hatte ihn verwirrt, dabei war sie Elric so einfach vorgekommen. Seine Bewunderung für die Fähigkeiten der Traumdiebin wuchs weiter.
»Und genau dabei können wir helfen«, erklärte Oone. »Die Seele des Kindes wird gefangen gehalten. Und solange diese gefangen ist, bist auch du ein Gefangener.«
Der alte Mann bot ihnen wieder die Beutel mit dem Gold. »Nehmt das, und verlaßt uns.«
»Ich glaube kaum, daß wir das tun werden«, erklärte Oone bestimmt und führte ihr Pferd an dem Alten vorbei. »Komm, Elric!«
Der Albino zauderte. »Sollten wir ihn nicht noch weiter ausfragen, Oone?«
»Er könnte nicht mehr sagen.«
Der Seneschall lief auf Oone zu. Er ließ das Tablett fallen und schwenkte die Beutel. »Sie ist nicht! Es wird wehtun! Es darf nicht sein! Schmerz wird kommen! Schmerz!«
Elric tat der Alte leid. »Oone, wir sollten auf ihn hören.«
Die Traumdiebin hielt nicht inne. »Komm! Du mußt!«
Elric hatte gelernt, ihrem Urteilsvermögen zu trauen. Also ging auch er an dem alten Mann vorbei, der sich mit den Beuteln schlug und Klageschreie ausstieß. Dabei flossen Tränen in seinen langen, weißen Bart. Dieses Verhalten erforderte eine besondere Art Mut.
Vor ihnen lag wieder ein hoher geschwungener Torbogen mit kunstvollem Gitterwerk, Mosaiken und Bändern aus Jade, blauem Email und Silber. Zwei große Tore aus dunklem Holz mit schweren Messingangeln und Türgriffen versperrten den Durchgang.
Zuerst war Oone ratlos. Dann tastete sie behutsam die Tore ab. Wie zuvor öffneten sich die Flügel. Sie hörten ein leises Geräusch, beinahe ein Wimmern. Weiter und weiter gingen die Torflügel auf, bis sie an den Angeln anstießen.
Elric war von dem, was er sah, überwältigt.
Ein grau-goldener Glanz füllte den Saal, der vor ihnen lag. Der Schein kam von einer mannshohen Säule, auf der eine Kugel lag. Im Zentrum der Kugel leuchtete eine Perle von enormer Größe, fast so groß wie Elrics Faust. Von allen Seiten führten Stufen zur Säule hinauf. Um diese Treppen standen Statuen. Doch dann erkannte Elric, daß es Männer, Frauen und Kinder waren, von denen die meisten nach Art der Nomaden oder der Einwohner von Quarzhasaat gekleidet waren.
Jetzt kam der alte Mann hereingehastet. »Verletzt dies nicht!«
»Wir verteidigen uns nur, Seneschall.« Oone blickte ihn dabei nicht an. »Das ist alles, was du wissen mußt.«
Langsamen Schrittes gingen Elric und Oone vor, die Silberschwerter in der Hand, ihre Silberpferde am Zügel. Das Licht
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