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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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über Ramiz' Verbrechen unterrichtet war. Wie sollte man jetzt melden,
daß er verschwunden war? Was für eine Festung war das, mit was für Wächtern,
was für einer Verwaltung hatte man es hier zu tun?
    Der Kastellan und die
Festungsbesatzung wurden verhört, aber die Männer wußten nicht mehr als das,
was sie sofort gesagt hatten und was aller Welt bekannt war. Der Kastellan, der
vor Kopfschmerzen kaum sprechen konnte, sagte, der Brief sei tatsächlich vom
Wali gewesen, mit Siegel. Er habe ihn allerdings nicht zu Ende lesen können,
weil ihm die Verbrecher vorher den Schlag über den Kopf versetzt hätten. Er
erinnere sich nur an die Adresse: An den ehrenwerten Kastellan, nichts
weiter, doch er hätte besser daran getan, sich an nichts zu erinnern, denn nun
hielt man ihm den Brief vor, den die Räuber unverschämterweise in seinem Zimmer
zurückgelassen hatten, und fragte ihn, wie er habe glauben können, daß er vom
Wali stamme, wo doch ein Blinder sehen könne, daß das Siegel gefälscht sei, und
nicht einmal sehr geschickt, worauf der Kastellan antwortete, jetzt sähe er das
auch, damals habe er es nicht gesehen, weil er keinen Verdacht gehegt habe und
die Beleuchtung schlecht gewesen sei.
    Alle Welt wußte auch, daß die
Obrigkeit den Kastellan fragte, warum er die Fremden in die
Festung eingelassen, warum er sie nicht vor dem Tor habe warten lassen, um den
Brief (in dem er aufgefordert wurde, ihnen Ramiz zu überantworten) in seinem Zimmer zu
lesen. Er antwortete, sie seien wie Polizeisoldaten gekleidet gewesen, was auch
die übrigen Betroffenen bestätigten, und
sie hätten behauptet, zu mündlichen Anweisungen berechtigt zu
sein, mehr noch aber habe er sich dadurch täuschen lassen, daß sie befahlen,
das Tor zu verschließen, so lange sie
sich in der Festung aufhielten. Wie hätte er an etwas Böses denken sollen, da
sie nur zu zweit gewesen seien, während sich außer ihm zehn bewaffnete Wächter
in der Festung befanden. Am ehesten habe ihn wohl die beispiellose Frechheit
dieser Leute überrumpelt. Am ehesten
dürfte dich deine Dummheit überrumpelt haben, sagte man ihm liebenswürdig.
    Und so wußte niemand genau, was
geschehen war. Auch ich nicht, obwohl ich wußte, wie es begonnen hatte. Doch
was danach kam, lag für mich im dunkeln.
    Ich fragte Šehaga, als ich ihm zum
Bairam gratulierte, wo Ramiz versteckt sei.
    Er sah mich scharf an wie einen
Feind und verächtlich wie einen Narren.
    »Woher soll ich das wissen? Warum
fragst du mich danach?«
    Ich sah ein, daß ich wirklich dumm
und ihnen nicht gewachsen war.
    Und ich hätte Šehaga gar nicht
gefragt, wäre mir nicht Osman Vuk aus dem Weg gegangen, als hätte ich Aussatz,
als wäre er mir nie im Leben begegnet oder hätte nur das Schlechteste über mich
gehört.
    Ich phantasierte mir alles selbst
zusammen. Šehaga hatte also Geld zur Verfügung gestellt, und Osman hatte die Männer
bezahlt, wer weiß welche, alte, tapfere, aber arme Krieger oder Heiducken aus dem Wald oder Räuber oder Verbrecher, die sich vor nichts fürchteten, wenn es darum ging, etwas
zu verdienen. Dann hatte er das Gelage in Zajkos Schenke veranstaltet, mit vielen
Gästen, mit Musikanten, mit Mahmut, der alles erzählen würde, mit Polizeisoldaten, die die ganze Nacht aufpaßten, mit
Nachtwächtern, mit Säufern, und er war von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen dort geblieben. Alle
konnten es bestätigen und ihn von jedem Verdacht reinwaschen, falls es jemandem
in den Sinn kam, ihm zu argwöhnen.
    Wen aber hatte er in der Festung
bestochen? Den Wächter? Der Wächter war nicht wichtig, und er mußte nicht ausgerechnet in dieser Nacht am Tor
Dienst tun, und selbst wenn er Dienst hatte, er durfte niemanden ohne Erlaubnis
des Kastellans einlassen. Nein, er war es nicht, er hatte den Schlag über den
Kopf umsonst bekommen.
    Dann war es der Kastellan? Die
geringe Bezahlung und der langweilige Dienst, der ihm verbot, jemals die
Festung zu verlassen, paßten dem alten Krieger sicher nicht mehr, und er war zu
allem bereit, wenn ihm eine geziemende Belohnung ermöglichte, sich aus der
Festung zu befreien, in der er wie ein Gefangener lebte. Damit konnte er auch
heiraten, auskosten, was alle Männer taten, was ihm aber versagt war. Er mußte
diejenigen nicht kennen, die kommen würden, und bestimmt hatte er ehrlich
gesagt, daß sie ihm fremd waren und er sie nie gesehen hatte. Als er mit Osman
verhandelte, hatte er wahrscheinlich verlangt, daß die Entführung

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