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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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seinen Schmerz vergaß. Aber diese Bösartigkeit bedeutete nicht nur
Rache, sondern auch Hilfe für einen anderen.
    Jetzt konnte ihn nichts mehr
aufhalten. Hätte ich zufällig die Güte in ihm angesprochen, sie wäre bleich und
schlaff geblieben.
    Wieviel lebendiger und
erfinderischer war das Böse. Gott mochte uns gnädig sein.
    Er klatschte in die Hände, die sich
nicht mehr krampfhaft zur Faust ballten.
    Ein junges
Mädchen trat ein.
    »Rufe Osman
her!«
    Osman war
sofort zur Stelle, als hätte er vor der Tür gewartet, was er vielleicht auch
getan hatte, in Gesellschaft des Mädchens. Beider Augen strahlten wie Lampen.
Šehaga rieb sich die Hände.
    »Setz dich!
Wir müssen jemand aus der Festung holen.«
    »Da gibt es verschiedene
Möglichkeiten«, antwortete Osman, ohne
nachzudenken. »Ich bin für die teuerste.«
    »In Ordnung«, stimmte Šehaga zu.
    Das war
alles.
    Osman Vuk sah mich fröhlich an und
fragte Šehaga: »Soll ich dir Milch bringen lassen?«
    »Später.«
    Für mich war es Zeit zu gehen, damit
sie alles unter vier Augen besprechen konnten.
    Ich war länger geblieben, als ich
gedacht, und viel länger, als Tijana gehofft hatte.
    Sie würde mich fragen, warum er mich
hatte rufen lassen. Er hatte mich nicht rufen lassen.
    Sie würde fragen, worüber wir
gesprochen hätten. Wir hatten nicht von mir gesprochen.
    Sie würde fragen, ob er mir helfen
würde. Das war weder ihm noch mir in den Sinn gekommen.
    Sie würde fragen, warum ich dann so
zufrieden sei. Ich würde nicht erklären können, warum ich so zufrieden war.

Die Entführung
    Diese Nacht vor dem Bairam war stürmisch.
    Osman Vuk beging das Ende des
letzten Fastentages in Zajkos Schenke, nüchtern, ruhig, fast feierlich. Die
Schenke war nicht für andere Gäste gesperrt, wie es Osman gewöhnlich
verlangte, aber alle wußten, daß es Osmans Fest war, zu Ehren des Bairams, zu
Ehren des langen Ramadans oder einfach so, niemand suchte nach Gründen für
Osmans verrückte Einfälle, denn nach diesen Gründen hätte man oft suchen
müssen. Er verstand sich aufs Feiern wie kein anderer in der Stadt, er stellte
sie auf den Kopf und störte sie aus ihrer säuerlichen Ruhe auf. Die Väter
erwachsener Söhne und die Männer junger Frauen machten sich dann Sorgen, denn
die Söhne wurden unruhig, und die jungen Frauen fanden keinen Schlaf, klagten
über Kopfschmerzen und saßen seufzend bis spät in die Nacht am Fenster, was
vielen wirkliches Kopfweh durch die zärtlichen Fäuste der Männer eintrug, die
ihnen für alle Fälle diese Flausen auszutreiben versuchten.
    Zu solchen Zeiten machten sich die
Polizeisoldaten auf und verfolgten Osman durch die Straßen, voller Bange, was
er sich wohl wieder einfallen lassen würde. Aber sie hielten sich immer in
geziemendem Abstand, weil sie vor seinem unmenschlichen Zorn Angst hatten.
    An diesem späten Abend standen für
ihn ein Mahl und gekühlte Getränke bereit. Zajko in gewichtiger und straffer
Haltung und seine beiden festlich gekleideten Gehilfen trafen still und eilig
die letzten Vorbereitungen für das Zeremoniell, und der alte Zigeuner Ramo, der
beste Musikant und Sänger, den die Welt je gesehen hatte, schaute mit seinen
fünf Söhnen fromm und erwartungsvoll Osman und seine Gefährten an, Spaßvögel,
Spieler, Streithammel, Säufer, kurz, die schlimmsten Raufbolde der Stadt.
    Als ein Kanonenschuß das Ende der
Fasten verkündete, erhob sich Osman, nahm einen Bissen Brot und ein Glas
Schnaps zu sich, wünschte allen einen glücklichen Bairam, denn am nächsten
Morgen wußte vielleicht keiner mehr, daß Bairam war, und das Fest begann.
    Die Polizeisoldaten und die
Nachtwächter schlichen wie Schatten um die Schenke, aber sie hörten nur die
ganze Nacht Lieder, Musik, Gelächter und Geschrei, hinauskommen sahen sie
niemanden.
    All das erzählte mir Mahmut
Neretljak, der die ganze Nacht mit Osman und seiner Gesellschaft getrunken, am
Morgen ein, zwei Stunden geschlafen hatte und aus dem Haus gerannt war, gelb
wie eine Zitrone, aber selig und glücklich, als wären alle seine Träume im
Leben Wirklichkeit geworden. Er hatte mit Osman Vuk gefeiert. Und er erzählte
es jedem.
    Er wäre nie bis zu Osman und in
Zajkos Schenke vorgedrungen, das war für ihn so weit entfernt wie der Palast
des Paschas, der Zufall hatte ihm dieses unerwartete Glück beschert. Osman Vuk
war gekommen, um mich zu dieser Bairam-Feier einzuladen, aber Tijanas unwillig
gerunzelte Brauen hatten mir jede Lust am Feiern verdorben. Ich

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