Die Festung
einen Blick zu, daß
einem angst und bange werden kann, aber im nächsten Moment strahlen seine Augen
wie die Sonne, und er sagt zu Pjevo: ›Heute abend greifst du nicht in die
Tasche.‹ Aber wieviel er Zajko und den Musikanten und den Knechten bezahlt
hat, das weiß nur er selbst, er hat es heimlich erledigt, vornehm, jedenfalls
muß es eine Menge gewesen sein, man sah es daran, wie sie ihn anschauten, wie
sie lächelten und sich verneigten, wenn er gewollt hätte, wären sie drei Tage
und drei Nächte auf den Beinen geblieben. Und als der Muezzin zum Morgengebet
ruft, steht er auf und sagt: ›Alles Gute zum Bairam, Brüder, und danke, daß
ihr mir die Ehre erwiesen habt.‹« Nüchtern, als habe er nicht die Nacht
durchgezecht, habe er sich von Zajko verabschiedet und die Musikanten gebeten,
ihn nicht lange durch die Straßen zu begleiten, es sei Bairam, Feiertag, die
Leute gingen schon zum Gebet, und man dürfe sie nicht stören. Bis zur Brücke
habe die Musik sie begleitet, auf der Brücke sei noch ein Lied gespielt worden,
die Leute, die unterwegs zur Moschee waren, seien stehengeblieben, er habe sich
mit der Hand auf dem Herzen verneigt und ihnen zum Bairam gratuliert. Dann habe
er alle seine Gäste, auch Mahmut, auf beide Wangen geküßt und sei nach Hause
gegangen. Mahmut hatte vor lauter Aufregung nicht lange schlafen können, er
hatte sich zwei große Eimer Wasser über den Kopf geschüttet, um sich vom
Schnaps und vom übergroßen Glück zu erholen, und noch lange danach erzählte er
von Osman und dieser unvergeßlichen Nacht.
Das sah in meinen Augen Osman Vuk
nicht sehr ähnlich, zwar hatte ich ihn nie beim Feiern erlebt, doch diese Zurückhaltung
und Mäßigung war ungewöhnlich bei ihm. Entweder befand sich Mahmut im Irrtum,
oder ich wußte nichts über Osman Vuk.
Später wurde mir einiges klar, als
ich hörte, was sich in dieser Nacht in der Festung ereignet hatte.
In dieser selben Nacht vor dem
Bairam hatte jemand Ramiz aus der Festung entführt und in ein Versteck gebracht.
Nach dem Abendgebet waren unbekannte
Reiter vor dem Festungstor erschienen, hatten mit lauten Hammerschlägen den
Wächter herbeigerufen und den Kastellan zu sprechen verlangt, dem sie einen
wichtigen Befehl vom Wali zu übermitteln hätten. Als der Kastellan ans Tor
kam, zeigten sie ihm einen Brief, er ließ zwei von ihnen ein, die anderen
mußten vor dem verschlossenen Tor warten.
Was danach geschah, wußte niemand
genau, man konnte es nur erraten, so wie auch diejenigen rätselten, die darin
verwickelt waren. Die beiden Fremden überfielen den Kastellan in seinem Turm,
sie versetzten ihm mit der Streitaxt eins über den Kopf und ließen ihn blutend
am Boden liegen. Den Schließer überwältigten sie in seinem Wachraum neben dem
unterirdischen Gang. Dann waren beide zum Torwächter zurückgekehrt, als
wollten sie gehen, er hatte ihnen geöffnet, und in diesem Augenblick traf ihn
die Streitaxt. Er war als erster aus der Bewußtlosigkeit erwacht, vielleicht
weil er der Jüngste war oder weil er den härtesten Kopf hatte oder weil man bei
ihm nicht so heftig zugeschlagen hatte, er hatte Alarm geschlagen, die übrigen
Wächter geweckt, dann hatten sie den Beschließer gefunden, der zu sich kam,
aber kaum wußte, was geschehen war, und den Kastellan, dem es am schlimmsten
ergangen war. Die ganze Nacht war er ohnmächtig, sie rieben ihn ein, begossen
ihn mit Wasser, alles vergebens, dann hielten sie ihm Schnaps unter die Nase
und flößten ihm ein paar Tropfen ein, und der Kastellan kam zu sich, aber er
konnte nicht aufstehen. Er hatte eine große Beule am Kopf, fühlte sich übel und
schwach und konnte sich an nichts erinnern.
Ramiz war aus der Festung
verschwunden.
Das Ereignis machte den Menschen
diesen Bairam unvergeßlich.
Überall wurde erzählt: von einem
Wunder, einer Heldentat, vom Weltuntergang, je nachdem, wer erzählte. Es kam
das Gerücht auf, dies sei das Werk von Bećir Toska und seinen Heiducken
gewesen, andere schrieben es den Derwischen vom Hamzevija-Orden zu, die
übrigen standen vor einem Rästel, denn Ramiz war der erste Gefangene, der aus
der Festung entführt worden war. Die einen suchten den Grund darin, daß die
Menschen schlechter, die anderen, daß sie tapferer geworden waren. Vielleicht
war beides wahr.
Die Obrigkeit geriet aus dem
Häuschen. Daß die Räuber in die Festung hatten eindringen können, war blamabel,
noch schlimmer aber war, daß nicht nur der Wali, sondern auch die Pforte
bereits
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