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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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lassen?«
    »Ich habe dich nicht rufen lassen.
Wir haben über dich gesprochen, und ich wollte dich sehen.«
    »Sicher hast du einen bestimmten
Grund, wenn du mich sehen wolltest.«
    Er sah mich an, dann sein Haus, es
kam mir vor, als zögerte er, als hätte er einen Beschluß gefaßt und doch wieder
aufgegeben, aus Vorsicht.
    »Einen besonderen Grund habe ich
nicht«, sagte er mit mühsamem, ungewohntem Lächeln. »Einfach so.«
    »Mir wurde
gesagt, jemand habe nach mir gefragt.«
    »Wer?«
    »Woher soll
ich das wissen?«
    »Stimmt,
jemand hat gefragt, so gesprächsweise.«
    »Was wollte er?«
    »Was er
wollte? Das weiß ich nicht.«
    Er wollte
ganz offensichtlich nicht mit der Sprache heraus.
    »Gut«,
sagte ich. »Wir haben uns getroffen und unterhalten. Und
jetzt gehe ich, damit ich nicht so spät in der Stadt ankomme.«
    »Ja, wir
haben Winter, und es wird früh dunkel.«
    Ich wandte
mich zum Weg, der talwärts führte.
    »Soll ich
dich ein Stück begleiten?« fragte er.
    Und er
folgte mir.
    »Du
wolltest mir etwas sagen, hast es dir aber anders überlegt«,
sagte ich offen.
    Halil
lachte.
    »Ja, ich
wollte, aber es erschien mir nicht so wichtig.«
    »Vielleicht
ist es wichtig.«
    »Nein.«
    »Wer hat
nach mir gefragt? Etwa Šehaga?«
    »Welcher
Šehaga? Wie kommst du darauf?«
    »Wer
sonst?«
    »Wer? Das
weiß ich nicht. Ich habe keine Ahnung, wer und was er ist,
er kam zufällig vorbei und hat dich wohl gesehen. Und da
fragte er: Ist das Ahmet Šabo?«
    »Ein
junger, magerer, schwarzhaariger Mann?«
    »So
ungefähr.«
    »War es
Ramiz?«
    »Ich weiß
nicht. Vielleicht.«
    »Hat er
gesagt, daß du mich zu ihm bringen sollst?«
    »Wer? Der
junge Mann? Nein, das hat er nicht gesagt, er ist gleich
weitergegangen.«
    »Wohin?«
    »Bei Gott,
ich habe ihm nicht nachspioniert.«
    »Na gut.
Wenn du ihn siehst, grüße ihn.«
    »Ich glaube
nicht, daß ich ihn sehen werde.«
    »Weißt du
was, Halil, das nächste Mal überleg dir, was du sagst,
bevor du jemand zu dir kommen läßt. Und jetzt finde ich
den Weg allein, du kannst umkehren.«
    »Und wie
sieht es unten in der Stadt aus? Du weißt schon, was ich
meine.«
    »Wie soll
es sein. Sie schnüffeln, fragen die Leute aus, suchen nach
Ramiz.«
    »Und warum suchen sie ihn?«
    »Das weiß ich nicht, aber es wäre
gut, wenn sie ihn nicht fänden.«
    Er blieb auf dem Hügel zurück, außen
von der Sonne bestrahlt, innerlich finster, und ich eilte der grauen, nebelverhangenen
Stadt entgegen.
    Dieser Unglücksrabe hatte mich
gefoltert in seiner Unschlüssigkeit, ob er sprechen oder schweigen sollte. Und
dann hatte er von mir erfahren wollen, was los war, hatte etwas erfahren, aber
nichts preisgegeben. Sicher hielt sich Ramiz in seinem Haus versteckt, er hatte
mich gesehen, als ich ins Dorf kam, vielleicht hatte er auch von meiner Ankunft
gewußt und Halil gebeten, mich mit ihm zusammenzubringen. Halil hatte
vielleicht abgelehnt, dann zugestimmt, und während er vor dem Haus auf mich
wartete, hatte er nachgedacht, Berechnungen angestellt und seine Meinung
geändert. So hatte er ausweichend geantwortet, zugelassen, daß ich Ramiz
erkannte, sich aber aus allem herausgehalten und alles auf eine zufällige
Begegnung geschoben: Er war von irgendwo gekommen, hatte etwas gefragt, war
wieder fortgegangen. Ramiz hatte mich sicherlich sehen wollen, doch Halil hatte
beschlossen, daß es besser war, wenn es nicht dazu kam. Es war besser und
sicherer für ihn und für Ramiz. Er hatte Ramiz versprochen, mich zu ihm zu
bringen, ich hatte vor dem Haus gestanden, damit uns Ramiz möglicherweise sah,
und jetzt würde er ihm etwas vorlügen: daß ich es eilig gehabt hätte, in die
Stadt zurückzukommen, daß ich Angst bekommen, daß ich seine Bitte abgeschlagen
hätte, und er würde mit seiner List zufrieden sein. Er hatte recht. Er hielt
Ramiz in seinem Haus versteckt, Šehaga zuliebe, seinem Bruder zuliebe,
vielleicht auch dem Geld zuliebe, das er bekommen hatte, und er hatte genug an
der eigenen Angst, weil er dem geflohenen Rebellen Unterschlupf gewährte. Es
hätte noch gefehlt, daß er jedem zufällig Vorüberkommenden von ihm erzählte!
    So blieb ich schuldig vor Ramiz, und
er würde es mir verargen.
    Aber dann fiel mir Mula Ibrahim ein.
Warum hatte er mich nach Župča geschickt? Wußte auch er, wo sich Ramiz aufhielt,
hatte er mich in seine Richtung gewiesen, ohne es auszusprechen? Oder hatte ihm
Ramiz selbst bestellen lassen, daß ich kommen sollte, Gott weiß weshalb? Ich
würde ihn

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