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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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wahr, was er sagte, aber seine Trauer war
aufrichtig.
    Zu Mula Ibrahims Entsetzen konnte
ich mich nicht enthalten, ihn zu fragen: »Sind wir denn alle schlecht, Šehaga?
    »Alle. Der
eine mehr, der andere weniger. Aber alle.«
    »Die Bauern aus Župča, du wirst
von ihnen gehört haben, sind nicht schlecht. Die Soldaten, die bei Chotin
gekämpft haben, sind nicht schlecht. Wir sind unglücklich, Šehaga, ohne eigene
Schuld.«
    Aber das Feuer in ihm schien
erloschen, sein Mitteilungsbedürfnis erschöpft. Er sah mich düster an und
verabschiedete sich. Ich begleitete ihn zur Tür und sagte, daß ich das
Gespräch gern fortsetzen würde. Seine Worte brannten in mir wie Glut.
    Nein, sagte er lustlos, wir würden
kein Gespräch fortsetzen. Wenn es mich nur aus Neugier interessiere, dann sei
jedes Wort verloren. Wenn mich etwas schmerzte, was fragte ich nach der Meinung
anderer? Er hielte nichts von der eigenen, geschweige denn von der eines
anderen, und er sage häufig, was er gar nicht denke oder was er heute denke und
morgen schon vergessen habe. Was nütze mir dieses Gerede eigentlich?
    »Es sei denn, du willst es jemand
hinterbringen.« Der schreckliche Osman Vuk grinste liebenswürdig, als er das
sagte.
    Auch Mula Ibrahim schalt mich, weil
ich mich in ein peinliches Gespräch eingemischt hatte. Šehaga Sočo könne
sich das leisten, er sei mehr als reich, er habe alle hohen Beamten in der
Hand, weil sie bei ihm verschuldet oder von ihm bestochen seien, und darum
täten sie, als wüßten sie nicht, was er redete. Wer aber sei ich? Ein armer
Schreiber bei ihm, einem Habenichts. Wenn nur jemand etwas heftiger nieste,
würde er uns in die Luft blasen wie Staubkörner. Selbst mächtigere Leute hätten
zu leiden, die Kleinen hingegen zerplatzten wie Seifenblasen. Und es sei nicht
unsere Sache, zu fragen, warum Šehaga so redete. Er habe andere Sorgen, wir
aber sollten zusehen, daß wir in diesem Strudel des Lebens nicht untergingen.
Deshalb sei Klugheit geboten.
    Das wußte ich, ich hatte es längst
gehört, im Laden, auf der Straße, im Geschäftsviertel: Klugheit ist geboten.
Als höchstes Gesetz, als sicherster Schutz gegen zahllose Gefahren. Bei allem,
was man tun konnte, bei jedem Wort, jedem Blick war Klugheit geboten.
    Fürchte dich vor allem, sei nicht
das, was du wirklich bist.
    Ich konnte mich mit dieser
Hoffnungslosigkeit nicht abfinden, es mußte für den Menschen noch eine andere
Möglichkeit geben außer der Angst, aber ich merkte mir diese Lehre, diese
gemeinsame schlechte Erfahrung, die das Leben vergiftete.
    Also gut, ich würde vorsichtig sein:
Klugheit ist geboten, Ahmet Šabo! Schon damit mein neues Leben nicht vergiftet
wurde.
    Eines Nachmittags ging ich aus, um in der Ladenstraße ein
Geschenk für Tijana zu kaufen. Mula Ibrahim hatte mich unnötigerweise ermahnt, meine
Frau nicht an teure Geschenke zu gewöhnen. Das sei eine schöne Gewohnheit,
wenn sie vernünftig bleibe, sie bereite Freude und erhalte die Liebe. Werde sie
jedoch unvernünftig, so wecke sie in der Frau Begierde und würde dem Mann zur
Last. Nichts Teures! Etwas Kleines, aber Hübsches, ein Blütenstengel, oder
etwas Nützliches, Pantoffeln, wenn ihre alten durchlöchert seien, ein
Umschlagtuch, wenn sie nichts anzuziehen habe, und ein gutes Wort, das sei am
wertvollsten.
    »Und ich wollte ihr eine goldene Halskette
kaufen.«
    »Auf keinen Fall! Das ist keine Aufmerksamkeit, sondern Wahnsinn.«
    Ich lachte.
    »Ich würde mir diesen Wahnsinn gern
leisten, wenn ich nicht von deinen fünfundzwanzig Groschen im Jahr leben müßte.
Woher soll ich das Geld für eine Halskette nehmen?«
    »Was weiß ich. Deine Frau hat ihren
Anteil vom Grundbesitz ausbezahlt bekommen.«
    »Es ist so wenig, daß ich mich
schäme, darüber zu reden.«
    »Warum hast du es dir dann gefallen
lassen?«
    »Weil es mir gleichgültig ist.«
    »Die arme Frau. Und die armen
Kinder, die sie mit dir haben wird.«
    »Jeder wird mit seinem Glück
geboren.«
    »So reden alle Leichtsinnigen.«
    Ich wußte nicht, ob ich leichtsinnig
war oder zufrieden mit meinem unverhofften Glück nach dem Hundeleben im Krieg,
jedenfalls nahm ich Mula Ibrahim diese Worte nicht übel, wußte ich doch, daß
der seltsame Mann es gut mit mir meinte. Frohgestimmt ging ich in die
Goldschmiedegasse, wo ich eine Kleinigkeit kaufen wollte, einen Silberring,
billige Gürtelschnallen, ein Kettchen, um meinen guten Willen zu zeigen, eine
Blume und ein gutes Wort würde ich dazugeben.
    Ich freute mich

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