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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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Schnallen und das
Kettchen, wenn es ihr nicht gefällt, suchen wir etwas anderes aus ... Möchtest
du morgen anfangen? Übrigens kannst du zu jeder Zeit kommen, mir ist es recht.
Aber wenn es nur ein Scherz war und du kommst nicht, dann macht es mir auch
nichts ... Die Sächelchen mußt du jetzt bezahlen, falls du dich eines anderen
besinnst.«
    Es war lächerlich, all sein
verworrenes Gerede, die Vorsicht, das Mißtrauen, das Staunen über die
angebotene Hilfe, die Hoffnungen, die sich vor ihm eröffneten, der Zweifel, ob
der Narr nicht wieder zu sich kommen würde. Er konnte glauben, daß ich verrückt
war, daß ich anständig war, daß ich meinen Scherz mit ihm trieb und daß ich
etwas im Schilde führte, aber er überließ alles Gottes Hilfe, denn er hatte
nichts zu verlieren, auch wenn ich mich eines anderen besann. Alles würde beim
alten bleiben.
    Am nächsten Tag begann ich, den
Kindern richtiges Arabisch beizubringen und tröstete sie, daß sich das Dunkel
vor ihren Augen bald lichten würde. Sie sahen mich ungläubig an, und Mahmut
saß dabei, wiegte den Kopf wie ein Professor, applaudierte meinem Wissen und
mißbilligte die Unwissenheit der Kinder, obwohl seine eigene nicht geringer
war. Und er wunderte sich weder, daß ich all das tat, noch sprach er
länger von Bezahlung: Er nahm meine Dummheit als eine Sache, die nur mich
anging, und er wollte mir nicht anbieten, was ich nicht verlangt hatte. Er nahm
es auf sich, für Schüler zu sorgen, das Kohlebecken im Zimmer aufzustellen,
wenn es kalt war, das Geld für die Stunden einzutreiben, meine Gelehrsamkeit
zu rühmen, wohin er auch immer kam, und mir überließ er den nebensächlichen
Teil der Arbeit, den Unterricht.
    Er trank wirklich, er trank ziemlich
viel, das war keine Lüge, aber man merkte es ihm kaum an. Er war nur fröhlich
und in so seliger Stimmung, daß ich ihn am liebsten mochte, wenn er angetrunken
war. Sogar seine Hände hörten auf zu zittern, und daran merkte ich, daß es vom
Trinken kam und keine Krankheit war. Nach den Stunden ging er mit mir in Idriz'
Kaffeehaus, um mir für die geleistete Arbeit einen Kaffee und sich einen
Schnaps zu spendieren.
    »Das ist mein Gelehrter«, sagte er
stolz.
    Er hatte sich dieses seltsame
Gewerbe nicht erdacht, um zu einem kleinen Verdienst zu kommen. Mir schien, daß
ihn eher der Drang nach etwas Ungewöhnlichem dazu getrieben hatte.
    Er erzählte voller Bewunderung und
Neid von einer Frau aus einem Marktflecken, die ohne Hände geboren war und mit
den Füßen strickte und andere Arbeiten verrichtete, so daß ihre Angehörigen sie
auf den Jahrmärkten für Geld zur Schau stellten. Oder von dem Kaufmann Hasan,
der aus Ägypten zwei Wunderhammel mitgebracht und ein Vermögen an ihnen
verdient hatte, weil jeder sie sehen wollte.
    Alles andere, das Gewöhnliche, war
ihm langweilig und keiner Aufmerksamkeit wert. Weil es klein und uninteressant
war, weil es lange andauerte und dem Menschen nicht genügend freie Zeit ließ.
Wozu er diese Zeit brauchte, konnte ich nicht erfahren.
    War ich für ihn so etwas wie die
Frau, die mit den Füßen Wolle spann, so etwas wie ein Vogel Strauß aus fernen
Ländern?
    Ich fragte es ihn lachend.
    Das beleidigte ihn.
    »Wie kannst du so etwas sagen! Wer
hat denn wen gebeten, ich dich oder du mich? Du hast behauptet: Es ist
nützlich für mich, ich kann meine Kenntnisse auffrischen. Und ich bin dir
entgegengekommen, habe dir geholfen, habe den Laden zur Verfügung gestellt und
dir meine Schüler überlassen. Was ist daran merkwürdig, was ungewöhnlich? Ich
weiß, du wirst jetzt sagen, daß du Arabisch kannst, während ich es nicht kann.
Na und, ist das vielleicht das Wunder? Ob nun mit deinen Kenntnissen oder mit
meiner Unwissenheit, sie werden doch Esel bleiben. Und das mit dem Vogel Strauß
und der Frau ohne Hände habe ich genau verstanden. Ich nütze dich aus, nicht
wahr? Habe ich dich bezahlen wollen? Du hast abgelehnt. Ich will es auch jetzt.
Ich gebe dir alles, was du verlangst. Nur Ungerechtigkeit kann ich nicht
vertragen. Und damit wir uns recht verstehen: Ob du ohne mich auskommst, weiß
ich nicht, aber ich komme ohne dich zurecht, das ist sicher.«
    Aber schon am nächsten Tag spazierte
er zur üblichen Zeit vor Mula Ibrahims Schreibstube auf und ab. Demütig kam er
auf mich zu: »Ich hatte schon Angst, du würdest dich verspäten. Die Kinder
sollen doch nicht warten.«
    Meiner Frau sagte ich, daß ich einem
unglücklichen Mann half, dem alles im Leben

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