Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
Vom Netzwerk:
wir! Und
was deine Frau angeht, mach dir keine Sorgen. Sie wird auf dich warten. Diese
Leute nicht. Und ohne ihre Hilfe kommst du nicht weit.«
    Als wir das Haus des alten Hadschi
Duhotina betraten, flankiert von Knechten mit Kerzen und Laternen, sagte Mula
Ibrahim leise: »Bleib in meiner Nähe!«
    Ich sah ihn überrascht an: Ich hatte
gehofft, daß er mir Mut machen würde, dabei brauchte er meine Hilfe.
    »Hast du Angst?«
    »Ein bißchen.«
    »Warum sind wir dann hier? Laß uns
umkehren.«
    »Wir können nicht mehr umkehren.«
    »Wenn das so ist, dann zum Teufel!
Halte dich tapfer, wir betreten Feindesland!«
    »Was denn für Feindesland, ich
beschwöre dich beim großen Gott!« jammerte er entsetzt.
    Ich lachte fröhlich, befreit von
Angst und Unbehagen, geheilt durch seine Furcht. Ihn aber hatten meine
kindischen Worte erschreckt, mit denen ich mir und ihnen trotzte, ohne recht zu
wissen, wogegen ich mich wehrte, und so stolperte er ungeschickt über die
Stufen und konnte kaum die starren Knie beugen. Er sah mich an wie einen
Brandstifter, verwundert und verbittert über meinen jämmerlichen Aufruhr. Umsonst,
mit solcher Angst lohnte es nicht zu leben, und wenn sie einmal von mir Besitz
ergriff, würde ich nicht mehr leben. Denn, es war eine Sache, Angst zu haben,
wenn es Grund dafür gab, im Unglück oder im Krieg, das mußte jeder, aber etwas
anderes war es, ständig Angst zu haben, Angst vor allem. Der kräftige Mehmed
Pecitava hatte einst in den Sümpfen vor Chotin gesagt: »Wenn ich mich vor jedem
Dreck fürchte, wann soll ich leben?«
    Wann soll ich leben, Mula Ibrahim,
wenn ich mich vor jedem Dreck fürchte? Wann soll ich da leben, ihr Herren aus
Feindesland?
    Meine
störrische Haltung war lächerlich, und das wußte ich, denn auch ich hatte eben
noch Angst gehabt, dabei ging alles auf meine Phantasie zurück, die Angst und
die Gefahr. Aber das war genauso, als wären sie wirklich vorhanden, und ich
verschanzte mich im voraus hinter kalter Abwehr.
    Bei meinem ersten Schritt in diesem
reichen Haus sah ich, daß meine Abwehr dumm und der Panzer überflüssig war.
Hadschi Duhotina, der Gastgeber, klein, dickbäuchig, prall wie eine genudelte
Gans, empfing uns mit strahlendem Gesicht und so unterwürfig freundlich, daß
ich meinen Augen nicht traute. Was mochte Mula Ibrahim über mich erzählt haben?
Oder war dieser merkwürdige Mann derart großzügig, daß er auch seinen weniger
angesehenen Gästen solche Achtung erwies? Wie häßlich und ungerecht war meine
Vorstellung von der Welt und den Menschen, dachte ich gerührt und verwirrt,
bereit, meine Abwehr in sanfte Liebenswürdigkeit zu wandeln, wie ein buckliges
Mädchen, dem man Schmeicheleien sagt.
    Aber leider darf sich ein buckliges
Mädchen keine Hoffnungen machen.
    Der merkwürdige Mann ging an uns
vorüber, als wären wir Schatten. Sein strahlendes Hausherrengesicht, die weit
ausgebreiteten Arme und die unterwürfige Freundlichkeit galten nicht uns,
sondern dem Kadi, der hinter uns kam.
    Mula Ibrahim und mich übernahmen die
Söhne des Gastgebers, zurückhaltend höflich, damit wir uns weder geschmeichelt
noch verletzt fühlen konnten, und sie trennten uns sogleich, indem sie ihn im
mittleren und mich im vorderen Zimmer neben dem Eingang plazierten. Den Kadi
führte der Hausherr in das hintere, unsichtbare und unzugängliche Zimmer, das
den angesehensten Gästen vorbehalten war. Diese Angesehensten kamen als letzte
und begaben sich sofort in ihr separates Versteck, geleitet von stummer
Verehrung und demütigem Schweigen, wie Tote.
    Wo aber waren die Krieger?
    Ich sah nur einige wenige. Die
übrigen waren Leute aus dem Geschäftsviertel, aus den Ämtern, den Zünften: Es
zahlte sich aus, wenn man an diesem Ort gesehen wurde. Vielleicht glichen viele
der Anwesenden meinem Mula Ibrahim.
    Ich mußte lachen, als ich mich an
seine Kriegsverdienste erinnerte.
    Neben mir saß ein älterer Mann,
ziemlich unordentlich, gedunsen, schon betrunken, wie mir schien. Er hatte
einen Krug neben sich und hob ihn an den Mund, wenn er glaubte, daß es niemand
sah. Und dies glaubte er oft.
    »Warum bist
du hier?« fragte er mürrisch.
    »Warum?
Eigentlich ohne Grund.«
    »Ohne Grund? Ist bei dir alles in
Ordnung? Brauchst du nichts? Willst du um nichts bitten?«
    »Nein.«
    »Bist du
reich? Oder verdienst du viel?«
    »Ich bin
reich und verdiene viel.«
    »Du hast es gut! Wo Tauben sind,
fliegen Tauben zu. So ein Glück!«
    »Ich bin Schreiber bei einem Anwalt.
Ich

Weitere Kostenlose Bücher