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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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bekomme fünfundzwanzig Groschen jährlich. Welch ein Glück!«
    »Ach, so einer bist du. Ein armer
Schlucker, weiß Gott. Nimm einen Schluck Schnaps.«
    »Ich trinke
nicht.«
    »Von mir nimmst du nichts? Das ist
wohl zufällig unter deiner Würde?«
    Ich trank,
um ihn nicht zu verärgern.
    »Siehst du, du trinkst doch. Los,
noch einen. Aber austrinken! Gut so.«
    Das zweite
Glas fiel mir schon leichter.
    »Und du sagst, du trinkst nichts.
Das sehe ich. Scheinst ein Spaßvogel zu sein. Warum hast du vorhin gelacht? Ich
mag es, wenn die Leute lachen.«
    Das Lob war mir angenehm, ich fühlte
mich wohl.
    »Ich habe mich nach den Kriegern
umgeschaut. Und dabei ist mir eingefallen, wie ich einen aus einem reißenden
Fluß gerettet habe, der hatte vor Angst die Hosen voll. Vielleicht ist es
vielen hier so ergangen, und das war dann ihr ganzer Krieg und ihr ganzes
Mißgeschick.«
    Sein Lachen kam so plötzlich wie ein
Schuß, er bespritzte mich mit Schnaps, weil er gerade den Krug angesetzt hatte,
verschluckte sich, hustete, erholte sich wieder und lachte weiter, laut,
dröhnend, schlug sich dabei aufs Knie, beugte den Oberkörper vor und kreischte,
so daß ich um ihn und mich zu fürchten begann.
    »Trink!«
Ich reichte ihm den Krug, um ihn zu beruhigen. »Oh, Bruder, wie hast du doch
gesagt: Er hatte die Hosen voll, und das war sein ganzer Krieg!«
    Er unterbrach sein Gelächter nur,
wenn er einen Hustenanfall bekam.
    Die Leute
begannen sich nach uns umzudrehen.
    »Erzähl doch, wie das war. Damit es
alle hören. Sie werden sich totlachen.«
    »Nichts da! Das ist nicht zum
Erzählen. Vielleicht habe ich es nur erfunden.«
    »Wenn ja,
dann hast du es gut erfunden.«
    »Und du,
warum bist du hier?«
    Er ging
nicht darauf ein.
    »Du sagst:
Ihr ganzer Krieg und all ihre Verdienste!«
    »Warte doch, du willst wohl nichts
von dir erzählen. Ich habe gefragt, warum du hier bist.«
    Ich wollte, daß er sich mit sich
selbst beschäftigte und endlich aufhörte zu lachen. Ich fragte und drückte ihm
den Krug in die Hand. Und es half tatsächlich. Noch lachte er zwar, aber leiser
und mit längeren Pausen. Wir tranken wieder. Ich hielt kräftig mit, nur damit
er vergaß, was ich gesagt hatte.
    »Meine Geschichte ist ganz
alltäglich. Eigentlich nichts.«
    »Trotzdem,
erzähl.«
    »Im Krieg bin ich schwer verwundet
worden, und dann haben mich die Österreicher gefangengenommen. Als sie mich
auskuriert hatten, vergaßen sie mich. Ich war Holzfäller in Tirol. Dreimal habe
ich zu fliehen versucht, und jedesmal kam ich in ein dunkleres Kerkerloch. Erst
nach neun Jahren haben sie mich freigelassen. Verschwinde, sagten sie, und
denke nicht im Bösen an uns. Nein, sagte ich, das war ja keine Hochzeit,
sondern Gefangenschaft.«
    Er kam nach Haus, zurück zu seiner
Frau, aber im Haus, auf seinem Grundbesitz, und auf der Frau war ein anderer.
Fünf Kinder hatten sie gezeugt, mit ihm selbst hatte sie keines gehabt. Er
verstand sie und war ihr nicht böse: Sie hatte gewartet und gewartet und
schließlich geheiratet. Nur sein Eigentum verlangte er zurück, das heißt das
Haus und das Grundstück, auf die Frau wollte er verzichten. Einfach und leicht.
Nun aber begannen die Scherereien. Da er sich so lange nicht gemeldet hatte und
es Zeugen dafür gab, daß er schwer verwundet war, hatte ihn der Kadi für tot
erklärt, die Frau hatte alles geerbt und in die zweite Ehe eingebracht. Was
sollte er tun? Er verlangte sein Eigentum, er hatte es weder verkauft
noch verspielt, sondern alles in bester Ordnung verlassen, und daß er nicht tot
war, konnte jeder sehen. Brauchte er dafür einen Beweis? Aber der Mann seiner
Frau, sein Nachfolger, der seiner ehelichen Pflicht erfolgreich nachgekommen
war, hielt dagegen: Es stimme zwar, daß er lebe und daß das Grundstück sein
Eigentum gewesen sei, doch ohne die Todeserklärung des Kadis, die bei Gott
nicht er geschrieben habe, hätte er die Frau seines Vorgängers nie und nimmer
geheiratet, er hätte sie auch ohne das Grundstück nicht genommen, da er kein
eigenes besäße – er sei ehrlich genug, dies in aller Öffentlichkeit zuzugeben.
Und selbst wenn er so verrückt gewesen wäre, das zu tun, hätte er ihr nicht so
viele Kinder gemacht.
    Sei also vielleicht er schuld daran,
daß der andere lebe, während ihn doch der Kadi für tot erklärt hatte? Er sei
nötigenfalls bereit, sich zu einigen, ihm die Frau und zwei bis drei Kinder
abzutreten und die Hälfte des Grundbesitzes zurückzugeben. Er könne aber

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