Die Festung
der Geliebte des reichen Schatzmeisters Fejzo sei,
einmal, um einen mächtigen Beschützer zu haben, vor allem jedoch, weil er dessen
mitgiftschwere Tochter heiraten wollte. Ob
er ihn zuerst geneigt stimmen und dann als Gegengabe die Tochter fordern oder
ob er weiter an zwei Webstühlen arbeiten würde, was wahrscheinlicher war, das
wußte ich nicht.
Ich wußte aber, daß er mir zuwider
war, von seinem Lächeln wurde mir übel, ich wollte, daß er sich entfernte,
deshalb beleidigte ich ihn. Er zeigte keinen Ärger, obwohl er hinter die Worte
anderer zu hören verstand und genau wußte, was ich meinte, als ich von seinem
geheimen Laster gesprochen hatte.
Ich hätte zu gern gewußt, was er tun
würde, ich war angetrunken und launisch. Würde es mir gelingen, ihn aus seiner
scheinbaren Ruhe zu locken, würde er rot anlaufen, wütend werden, aus der Haut
fahren, würde er mich mit verächtlichen Worten treffen? Oder würde er mir
entgegentreten, sich mit mir streiten ganz gleich worüber, um seine
Überlegenheit zu zeigen? Wie es ihm beliebte! Ich fürchtete weder seinen
Verstand noch sein Amt: Meine Beweismittel waren stärker, denn sie waren
unabhängig; meine Rede war mutiger, denn ich hatte nichts zu verlieren. Ich war
zufrieden mit meiner Armut.
Er war hartnäckig in seiner
liebenswürdigen Überlegenheit.
»Und was für Laster halte ich
geheim?« fragte er fröhlich.
»Die, von denen wir nichts wissen.
Gibt es überhaupt einen Menschen ohne Laster?«
»Offenbar
ja. Ich habe keine Laster, nicht eines.« Er blickte ruhig, sprach ruhig, log
unverschämt.
»Ich habe
nicht gewußt, daß es so etwas gibt.«
»Wäre es denn ein Wunder? Gott hat
uns erschaffen, und es ist sein Wille, daß ich so bin, wie ich bin.«
»Ohne
Sünde?«
»Ohne
sündige Laster.«
»Das meinst
du doch nicht ernst?«
»Vollkommen ernst. Glaubst du etwa
nicht an Gottes Willen?«
»Die Verantwortung für Gut und Böse
auf Gottes Willen abzuwälzen heißt sich hinter den Glaubenssätzen verstecken.
Das ist sehr weise. Siehst du, im Krieg hatte ein Troßmeister den Tabak für die
Soldaten veruntreut. Er wurde ausgefragt und beteuerte unaufhörlich, er hätte
ihn verloren, und das sei Gottes Wille. Dabei hatte er ihn verkauft, Zeugen
konnten es bestätigen, er war nämlich Trinker. Dann war es auch Gottes Wille,
daß er Trinker war.«
»Meinst du
etwa nicht?«
Er war ruhig, heiter, ein bißchen
spöttisch, ihn rührte nichts, was ich auch sagte. Mich packte die Wut.
»Dummheiten! Je mehr heilige
Aushängeschilder es gibt, hinter denen sich die Menschen verstecken, desto mehr
Raum ist für menschliche Niedertracht. Der Mensch erfindet immer ein höheres
Prinzip, um sich von Verantwortung und Schuld loszusagen. Das befördert die
allgemeine Verantwortungslosigkeit. Wehe der Menschheit, wenn das so bleibt.«
»Willst du damit sagen, daß jeder
darüber entscheidet, was gut und was böse ist?«
»Jeder! Und nichts Böses wird
deshalb gut, weil die Mehrheit damit einverstanden ist.«
»Ist auch die Verteidigung etwas
Böses? Die Verteidigung des Glaubens zum Beispiel?«
»Verteidigung
ist nicht selten Angriff.«
Auch da hörte Zafranija nicht auf
zu lächeln. Aus welchem Stoff war er gemacht? War das Stärke oder Dickhäutigkeit?
»Das ist ein Irrtum, aber
interessant«, sagte er ohne Zorn.
Er faßte mich unter dem Arm und zog
mich fort. Wir sahen aus wie die besten Freunde.
»Nur gut,
daß das keiner gehört hat.«
»Glaubst du, ich habe Angst? Was ich
denke, kann jeder wissen.«
»Du brauchst auch keine Angst zu
haben. Aber es ist nicht schön. Und es nützt nichts. Man könnte dich falsch verstehen.«
»Es kümmert
mich nicht, wie man mich versteht.«
»Es sollte dich aber kümmern. Dies
sind unsere besten Männer.«
»Die besten? Hast du den Fähnrich
Muharem gesehen, als du hergekommen bist? Die besten hungern wahrscheinlich
oder sterben in den Gefängnissen.«
In diesem Augenblick bemerkte ich an
seiner Siegermiene, die er hinter scheinbarer Betretenheit zu verstecken
suchte, und an der Grabesstille, die plötzlich eingetreten war, daß er es nur
darauf angelegt hatte, mir diese Bemerkung zu entlocken. Deshalb hatte er mich
ins Mittelzimmer geführt, ohne daß ich dessen gewahr wurde, deshalb hatte er im
Vertrauen auf meine betrunkene Bockigkeit gestichelt, bis ich mich
verplapperte.
Sie hörten es mit beleidigter,
finsterer Miene, sie witterten Unheil, Mula Ibrahim wand seinen mageren Hals,
als hätte er einen
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