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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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siehst du, ich habe mir schon die Hände schmutzig gemacht. Hast du dich
mit jemand geprügelt?«
    »Ich möchte nach Hause.«
    »Natürlich, nach Hause. Deine Frau
soll dich ordentlich waschen, und dann kümmerst du dich um die Wunden. Also,
kannst du aufstehen?«
    Ich spie Blut und Kot.
    »Ich möchte mich etwas säubern.«
    »Das kannst du. Aber zu Hause muß
deine Frau alles in den Waschtrog stecken. Zieh dich derweilen um.«
    Es war mein einziger Anzug, Tijana
hatte ihn für die Gesellschaft geflickt und in Ordnung gebracht, und nun würde
sie mich in diesem Zustand sehen. Sie würde Angst bekommen.
    Er führte mich zum Brunnen. Ich
hielt den Kopf unter den Strahl, spülte mir den Mund, strich mit steifen Händen
über meine Kleider, um den Schmutz abzustreifen. Damit Tijana mich nicht so
sah.
    »Laß die
Finger davon, du verreibst es nur.«
    Wieder steckte ich den Kopf unter
den Wasserstrahl, kühlte die schmerzende Stelle. Mahmut hielt mich fest.
    »Da hast du noch mal Glück gehabt.
Ich wollte schon lange nach Hause, aber meine Freunde haben mich nicht fortgelassen. Nicht so eilig, sagten
sie, bleib noch ein bißchen. Trink einen Schluck, erzähl uns was. Als hätte es
so sein sollen, daß ich dich finde.«
    »Jemand ist hier vorbeigekommen, und
als er mich sah, ist er fortgelaufen.«
    »Keiner will sich Ärger aufladen,
mein Ahmet. Weglaufen ist leichter als helfen. Wer möchte schon vors Gericht,
als Zeuge aussagen, Zeit verlieren? Das
kann man als Mensch von niemandem verlangen. Komm, stütz dich auf mich. Siehst
du, auch das könnte eine Aufgabe sein: Diejenigen nach Hause zu bringen, die
man von der Straße aufgelesen hat.«
    Er fragte nicht, was mir widerfahren
war, wer mich verprügelt hatte oder warum, er wunderte sich nicht einmal. Ich
sagte, daß man mir im Dunkeln aufgelauert hätte. Auch das überraschte ihn
nicht.
    »All das kann vorkommen«, sagte er
gelassen. »Vielleicht waren es Räuber, die gibt es heutzutage mehr als
anständige Menschen.
Vielleicht war es auch ein Irrtum. Sie haben auf einen anderen gewartet und dich
erwischt. Du hast Glück gehabt, so ein paar Schläge sind nicht schlimm, schlimm
ist es, wenn man darauf wartet. Man weiß
es und wartet darauf, und es tut schon vorher weh. Natürlich auch nachher, wie
dir jetzt, aber das ist leichter.«
    Ich wußte, ihn hatten sie wegen der
falschen Kupfermünzen halbtot geprügelt. Mich wegen meiner aufrichtigen Worte.
    »Erzähle
meiner Frau nichts«, bat ich.
    »Was soll ich schon erzählen, sie
wird es selbst sehen.«
    Tijana war noch wach, sie hätte
sicher auch die ganze Nacht gewartet. Mein Anblick entsetzte sie. Sie erstarrte
in der Tür, fassungslos vor Schreck. Ich sagte mühsam lächelnd, daß man nachts
nicht durch diese Stadt gehen dürfe, daß jemand mich geschlagen und die
Flucht ergriffen hätte, daß es aber zum Glück nicht gefährlich sei.
    »Er hat noch einiges andere mit ihm
gemacht, ehe er davongelaufen ist«, erläuterte Mahmut. »Komm, ziehen wir ihn
aus. Du wäschst seine Sachen, und ich mache ihm kalte Umschläge.«
    Sie zogen mich aus, wuschen mich wie
ein Kind, wie einen Toten, Mahmut legte mir einen nassen Lappen auf die Beule.
    »Ziemlich groß«, sagte er. »Schade,
daß du keinen Schnaps im Haus hast, der würde den Schmerz lindern. Und wir
könnten auch einen gebrauchen.«
    Als Tijana sich mit ihrem gewölbten
Leib bückte, um die Kleider vom Boden aufzulesen, lachte er.
    »Laß nur, junge Frau, ich wasche das
aus. Mach nur etwas Wasser warm.«
    »Warum? Es
fällt mir nicht schwer.«
    »Ich weiß. Aber leg du lieber deine
Hand auf diese Beule, sie ist dick wie ein Apfel, unberufen, es wird ihm
guttun. Ich erledige
das schnell, ich bin an alles mögliche gewöhnt. Du wirst dich auch gewöhnen, aber das
hat keine Eile. Wie ich sehe, bist du schwanger. Setz dich zu ihm. Sollte er
Fieber bekommen, von der überstandenen
Angst oder von dem Schlag, mach dir keine Sorgen, er ist jung, das geht bald
vorüber.«
    Ich wurde wirklich vom Fieber
geschüttelt, und wie im Traum, wie in einem Taumel spürte ich ihre Hand auf
mir, ein Balsam,
eine Erleichterung, und ich tastete danach, um sie an meine spröden Lippen zu
führen und den einzigen sicheren Halt zu küssen. Ich wollte, daß sie mich an
der Oberfläche hielt und mich vor dem
Nebel schützte, der mich in das Erlebnis dieser Nacht
zurückzog. Es kam wieder, entstellt, verunstaltet. Zwerge mit riesigen Schädeln
und Riesen mit Stecknadelköpfchen bedrängten
mich.

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