Die Feuer des Himmels
die andere werde friedlich schlafen und vielleicht sogar von Lan träumen. Aber jedes bißchen Schlaf, gleich wie unruhig, war jetzt besser als nichts. Sie unterdrückte ein Gähnen und beugte sich über Birgitte. Sie konnte jedoch nicht erkennen, ob die Gesichtsfarbe oder das Atmen der Frau nun einen besseren Eindruck machten. Sie konnte nichts anderes tun als warten und hoffen.
Der Lampenschein schien die beiden Frauen nicht im Schlaf zu stören, also ließ sie sie brennen und setzte sich auf den Boden zwischen die Betten. Das Licht half ihr sicherlich, wach zu bleiben. Sie wußte eigentlich selbst nicht genau, warum sie unbedingt wach bleiben mußte. Sie hatte doch, genau wie Nynaeve, alles getan, was ihr möglich gewesen war. Unbewußt lehnte sie sich an die Vorderwand des Wagens und ihr Kinn sank langsam auf die Brust herunter.
Ihr Traum war angenehm, wenn auch eigenartig. Rand kniete vor ihr, und sie legte ihm eine Hand auf den Kopf und band ihn als Behüter an sie. Einer ihrer Behüter. Nun würde sie sich für die Grünen entscheiden müssen, da sie ja auch noch Birgitte hatte. Es waren noch andere Frauen anwesend, deren Gesichter von einem Blick zum anderen wechselten: Nynaeve, Min, Moiraine, Aviendha, Berelain, Amathera, Liandrin, weitere, die sie nicht kannte. Wer sie auch waren - sie wußte, daß sie ihn mit ihnen teilen mußte, denn im Traum war sie sicher, daß Min das so gesehen hatte. Sie war sich ihrer eigenen Gefühle den anderen gegenüber nicht sicher. Ein paar waren dabei, denen sie am liebsten das Gesicht zerkratzt hätte. Doch wenn das Muster es so wollte, dann würde es geschehen. Aber eines hatte sie den anderen bei ihm voraus, das sie nie kennen würden: die Bindung zwischen Behüter und Aes Sedai.
»Wo sind wir hier?« fragte Berelain mit rabenschwarzem Haar und so schön, daß Elayne am liebsten die Zähne gefletscht hätte. Die Frau trug das tief ausgeschnittene rote Kleid, das Nynaeve auf Lucas Wunsch anziehen sollte. Sie zog sich immer mehr aus als an. »Wach auf. Das ist doch nicht Tel'aran'rhiod.«
Elayne fuhr hoch und sah, daß sich Birgitte über die Bettkante beugte und kraftlos nach ihrem Arm gegriffen hatte. Ihr Gesicht war viel zu blaß und feucht von Schweiß, als habe sie gerade heftiges Fieber überwunden, doch der Blick aus ihren blauen Augen war klar und scharf auf Elaynes Gesicht gerichtet.
»Das ist nicht Tel'aran'rhiod.« Es war nicht als Frage gestellt, doch Elayne nickte bestätigend, und Birgitte sank mit einem langen Seufzer auf das Bett zurück. »Ich erinnere mich an alles«, flüsterte sie. »Ich bin körperlich hier, und ich habe mein Erinnerungsvermögen. Alles hat sich geändert. Gaidal ist irgendwo dort draußen - ein Baby oder vielleicht ein kleiner Junge. Und selbst wenn ich ihn finde, was wird er dann von einer Frau halten, die mehr als alt genug ist, um seine Mutter zu sein?« Sie rieb sich ärgerlich die Augen und knurrte: »Ich weine nicht. Ich weine niemals. Ich weiß es noch genau, das Licht helfe mir. Ich weine nie.«
Elayne richtete sich soweit auf, daß sie neben dem Bett der Frau kniete. »Du wirst ihn finden, Birgitte.« Sie sprach leise. Nynaeve schien nach wie vor tief zu schlafen. Ihr leises, schnarrendes Schnarchen war nicht zu überhören. Aber sie benötigte auch dringend Ruhe. Es durfte jetzt nicht gleich wieder alles auf sie einstürmen. »Irgendwie findest du ihn. Und er wird dich lieben. Ich weiß das.«
»Glaubst du, das sei das Wichtigste daran? Ich kann es schon ertragen, wenn er mich nicht liebt.« Ihre tränenglitzernden Augen straften ihre Worte Lügen. »Er wird mich brauchen, Elayne, und ich werde nicht dasein. Er zeigt immer mehr Mut, als gut für ihn ist. Ich muß ihn bremsen und zur Vorsicht mahnen. Noch schlimmer: Er wird herumwandern, mich suchen, ohne zu wissen, wonach er eigentlich sucht und warum er sich so unausgefüllt und unvollständig fühlt. Wir sind immer zusammen, Elayne. Zwei Hälften eines Ganzen.« Die Tränen quollen nun doch heraus und rannen ihr über das Gesicht. »Moghedien sagte, sie werde dafür sorgen, daß ich für immer weine, und sie...« Mit einemmal verzog sich ihre Miene, und sie schluchzte so bitterlich, daß ihr ganzer Körper durchgeschüttelt wurde.
Elayne nahm sie in die Arme und murmelte ihr tröstende Worte zu, von denen sie wußte, daß sie nutzlos waren. Wie würde sie sich fühlen, wenn man ihr Rand wegnähme? Der bloße Gedanke daran reichte, um fast noch ihren Kopf an den
Weitere Kostenlose Bücher