Die Feuer des Himmels
durchkämpfen wie jeder andere. Ochsenkarren und von Pferden gezogene Wagen schoben sich im Schneckentempo durch das völlig systemlose Straßennetz, Träger schaukelten Sänften durch die Menge, und hier und da rumpelte eine buntlackierte Kutsche mit einem Viereroder Sechsergespann mit Federn geschmückter Pferde mühsam einher. Die livrierten Lakaien und Wächter mit Eisenhauben bemühten sich vergeblich, den Weg dafür freizumachen. Musikanten mit Flöte, Zither oder Hackbrett spielten an jeder Ecke auf, falls dort nicht schon ein Jongleur oder Akrobat seine Künste zeigte. Die waren allerdings nicht gut genug, Thom oder den Chavanas Sorgenfalten zu bereiten. Und immer stand ein weiterer Mann oder eine Frau mit einer Mütze bereit, um Münzen einzusammeln. Zerlumpte Bettler waren überall zu sehen, zupften die Leute an den Ärmeln und hielten schmutzige Hände bittend auf, und Straßenhändler eilten geschäftig mit ihren Bauchläden durch die Menge und boten alles an, von Nadeln bis zu Bändern oder auch Obst. Ihre Rufe verloren sich im allgemeinen Lärm.
In ihrem Kopf vermischte sich alles zu einem einzigen Wirbel, bis Uno sie in eine engere Straße zog, wo der Betrieb im Vergleich etwas geringer schien. Sie blieb kurz stehen, um ihre Kleidung zu richten, nachdem sie sich durch die Menge hatte quetschen müssen, und folgte ihm dann weiter. Es war hier auch ein wenig leiser. Keine Straßenmusikanten oder Akrobaten und weniger Händler und Bettler. Die Bettler machten einen Bogen um Uno, selbst dann noch, als er einer mißtrauischen Gruppe von Straßenjungen ein paar Kupfermünzen zugeworfen hatte.
Sie konnte die Bettler verstehen. Der Mann wirkte nicht sehr... mildtätig.
Die Gebäude in dieser Stadt ragten hoch über die engen Gassen auf, obwohl sie meist nur zwei oder drei Stockwerke aufwiesen, so daß die Straßen ganz im Schatten lagen. Doch der Himmel war hell und bis zur Dämmerung waren noch ein paar Stunden Zeit. Also genügend Zeit, um zur Truppe zurückzukehren. Falls es notwendig war. Mit etwas Glück könnten sie sich alle schon bei Sonnenuntergang auf ein Flußschiff begeben.
Sie fuhr zusammen, als sich plötzlich ein anderer Schienarer ihnen anschloß, das Schwert auf dem Rücken und das Haar bis auf die übliche Skalplocke geschoren. Es war ein dunkelhaariger Mann, nur wenige Jahre älter als sie. Uno stellte ihn kurz vor und erklärte ihm die Lage, ohne im Schritt innezuhalten.
»Der Friede sei Euch hold, Nynaeve«, sagte Ragan. Er hatte ein Grübchen auf einer dunklen Wange, und fast genau in der Mitte befand sich eine kleine, dreieckige Narbe. Obwohl er lächelte, machte sein Gesicht einen harten Eindruck. Sie hatte allerdings noch nie einen weichen und sanften Schienarer kennengelernt. Weiche Männer überlebten nicht lang an der Grenze zur Fäule, weiche Frauen aber auch nicht. »Ich erinnere mich an Euch. Euer Haar war damals anders, nicht wahr? Spielt keine Rolle. Habt keine Angst. Wir bringen Euch sicher zu Masema und wohin Ihr auch danach wollt. Achtet nur darauf, ihm gegenüber Tar Valon nicht zu erwähnen.« Niemand beachtete sie sonderlich, doch er senkte die Stimme sicherheitshalber. »Masema glaubt, die Burg wird versuchen, den Lord Drachen zu gängeln.«
Nynaeve schüttelte den Kopf. Noch so ein törichter Mann, der sie gleich unter die Fittiche nehmen wollte. Wenigstens versuchte er nicht, sie in eine langwierige Unterhaltung hineinzuziehen. Bei ihrer Laune hätte sie ihm einiges an den Kopf geworfen, und wenn er nur über das Wetter hätte sprechen wollen. Ihr Gesicht war feucht, was ja kein Wunder war, wenn sie bei diesem Wetter einen Schal tragen mußte. Mit einemmal dachte sie daran, was der Einäugige ihr von Ragans Ansicht über ihr Mundwerk erzählt hatte. Sie glaubte nicht, ihm mehr als einen Blick zugeworfen zu haben, doch Ragan ging plötzlich neben Uno, als suche er dort Schutz, und nun beobachtete er sie mißtrauisch. Männer!
Die Straßen wurden noch enger, und obwohl die Steingebäude an den Straßenrändern nicht kleiner wurden, sahen sie immer häufiger deren Rückseiten und grobe graue Mauern, hinter denen sich höchstens winzige Gärten verbergen konnten. Schließlich bogen sie in eine Gasse ein, die kaum breit genug war, daß alle drei nebeneinander gehen konnten. Am hinteren Ende stand eine lackierte und vergoldete Kutsche, die von bewaffneten Männern umstellt war. Etwas näher, auf halbem Weg zwischen ihnen und der Kutsche, lungerten eine ganze Menge
Weitere Kostenlose Bücher