Die Feuer des Himmels
zu sein, denn sie hatten die Schwerter wieder in die Scheiden auf ihren Rücken gesteckt und folgten ihr, ohne ein Wort zu sagen. Sie äußerten nicht einmal etwas, als sie zum zweitenmal falsch in eine Straße abbog und daraufhin zurückgehen mußte. Es war auch besser für sie, gerade in diesem Moment den Mund zu halten. Sie hatte endgültig genug davon, zu allem und jedem schweigen zu müssen. Zuerst Masema und dann Galad. Alles, was sie sich wünschte, war eine hauchdünne Ausrede, um endlich jemandem die Meinung sagen zu können. Besonders regte sie die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf auf, die sie wohl soweit wie möglich verdrängt hatte, die aber einfach nicht aufgeben wollte.
Als sie sich schließlich wieder im geringen Verkehr auf der Lehmstraße außerhalb Samaras befanden, konnte sie den Einfluß des Stimmchens einfach nicht mehr leugnen. Sie machte sich Gedanken über Rands Arroganz, aber ihre eigene hatte sie selbst und andere so nahe an eine Katastrophe geführt, daß sie lieber nicht darüber nachdenken wollte. Im Falle Birgittes war sicherlich die Grenze überschritten, obwohl sie doch wenigstens lebte. Das Beste für Nynaeve wäre, sich mit niemandem mehr auseinanderzusetzen, auch nicht mit den Schwarzen Ajah und Moghedien, bevor nicht irgend jemand Kompetentes entschied, was weiter zu geschehen habe. Widerstand machte sich in ihr breit, aber den knüppelte sie jetzt mit der gleichen Härte nieder wie sonst den Thoms oder Juilins.
Sie würde nach Salidar gehen und die ganze Sache den Blauen übergeben. So sollte es geschehen. Sie hatte entschieden.
»Habt Ihr etwas gegessen, was Ihr nicht vertragt?« fragte Ragan sie unschuldig. »Ihr habt den Mund verzogen, als hättet Ihr eine Handvoll Vogelbeeren gekaut.«
Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn augenblicklich den Mund zuklappen ließ, und marschierte weiter. Die beiden Schienarer folgten Seite an Seite.
Was sollte sie nur mit ihnen anfangen? Natürlich gab es keinen Zweifel daran, daß sie sich die beiden auf irgendeine Weise zunutze machen würde. Allein schon ihre äußere Erscheinung war zu wirkungsvoll, um darauf zu verzichten. Außerdem würden zwei weitere Augenpaare -nun, drei Augen, um genauer zu sein; sie mußte sich nur an den Anblick von Unos Augenklappe gewöhnen, auch wenn es ihr schwerfiel - weitere Augen würden also nützlich sein, um möglicherweise noch eher ein Schiff zu entdecken. Alles in Ordnung, falls Masema oder Galad schneller wären, aber sie wollte die beiden möglichst nicht mehr als unbedingt notwendig über ihre Aktivitäten wissen lassen. Man konnte nie wissen, was der eine oder der andere unternehmen würde.
»Folgt Ihr mir nun, weil Euch Masema sagte, Ihr solltet auf mich aufpassen«, verlangte sie zu wissen, »oder weil Galad dasselbe von Euch forderte?«
»Welchen verdammten Unterschied macht das schon?« knurrte Uno. »Wenn Euch der Lord Drache gerufen hat, dann müßt Ihr verflucht...« Er brach ab und runzelte die Stirn, als sie mahnend den Zeigefinger hob. Ragan betrachtete den Finger, als sei er eine Waffe.
»Werdet Ihr Elayne und mir helfen, Rand zu finden?«
»Wir haben nichts Besseres zu tun«, sagte Ragan trocken. »Wie die Lage ist, werden wir Schienar erst wiedersehen, wenn wir grau und zahnlos sind. Wir können genausogut mit Euch nach Tear reiten, oder wo er sich eben aufhält.«
Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, aber es war sinnvoll. Zwei weitere Männer, die Thom und Juilin bei der Erledigung ihrer Aufgaben helfen und sich beim Wachestehen mit ihnen abwechseln konnten. Es war überflüssig, sie wissen zu lassen, wie lange das dauern und wie viele Unterbrechungen und Umwege es unterwegs geben werde. Es konnte sogar sein, daß die Blauen in Salidar niemand von ihnen weiterziehen lassen würden. Denn sobald sie die Aes Sedai fanden, waren sie lediglich wieder Aufgenommene. Hör auf, daran zu denken! Du tust es einfach und dann wirst du ja sehen!
Die Menschenmenge, die vor Lucas aufdringlichem Schild wartete, schien ihr keineswegs kleiner als zuvor. Ein stetiger Strom von Menschen schob sich über die Wiesen zum Eingang hin, während sich ein zweiter aus dem Tor unter erstauntem Gemurmel über die erlebten Wunder nach draußen ergoß. Von Zeit zu Zeit kam eines der ›Keilerpferde‹ in Sicht, wenn es sich hinter der Segeltuchmauer auf die Hinterbeine stellte, und von denen, die draußen auf Einlaß warteten, waren laute ›Oooohs‹ und ›Aaaahs‹ zu hören. Cerandin wickelte wieder
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