Die Feuer des Himmels
erstaunt. Sie und Egwene waren einfach da, auf der anderen Seite Callandors, beide in Aielröcke und -blusen und die üblichen Schals gekleidet. Wenigstens hatte Egwene diesmal nicht so viele Halsketten und Armreife übergestreift. »Warum erscheint Ihr mir so eigenartig durchscheinend, Nynaeve? Habt Ihr gelernt, in wachem Zustand herzukommen?«
Nynaeve erschrak ein wenig. Sie haßte es, wenn sich Leute so an sie heranschlichen und plötzlich auftauchten. »Egwene, wie bist du...«, fing sie an, wobei sie nervös ihren Rock glattstrich, doch im selben Atemzug sagte Elayne: »Egwene, wir verstehen einfach nicht, wie du... «
Egwene unterbrach sie: »Rand und die Aiel haben bei Cairhien einen großen Sieg errungen!« Und dann brach eine wahre Flut aus ihr heraus, alles, was sie ihnen in ihren Träumen berichtet hatte, von Sammael bis zu dem Seanchan-Kurzspeer. Ihre Worte überschlugen sich fast, und sie sprach dabei auch noch mit einer solchen Eindringlichkeit, als hörten sie alles zum erstenmal von ihr.
Nynaeve wechselte einen verwirrten Blick mit Elayne. Sie hatte ihnen das doch schon berichtet, oder? Das konnten sie sich wohl kaum eingebildet haben. Außerdem bestätigte sie es ja mit jedem Wort. Selbst Amys, deren langes, weißes Haar die beinahe Aes-Sedaiartige Alterslosigkeit ihres Gesichts noch unterstrich, blickte ob dieses Redestroms verblüfft drein.
»Mat hat Couladin getötet?« rief Nynaeve erstaunt, als Egwene darauf zu sprechen kam. Das wiederum hatte sie in ihren Träumen mit Sicherheit noch nicht erfahren. Das klang überhaupt nicht nach Mat. Soldaten fuhren? Mat?
Als Egwene endlich schwieg, zupfte sie an ihrem Schal und atmete ein wenig heftiger als üblich. Sie hatte ja auch kaum Luft geholt beim Erzählen. Elayne fragte mit zitternder Stimme: »Geht es ihm ... gut?« Es klang, als zweifle sie allmählich an ihren eigenen Erinnerungen.
»So gut man das erwarten kann«, sagte Amys. »Er treibt sich selbst ziemlich hart voran und hört auf niemanden. Außer auf Moiraine.« Bei Amys klang das alles andere als erfreut.
»Aviendha ist fast die ganze Zeit über bei ihm«, sagte Egwene. »Sie behütet ihn gut für dich.«
Das allerdings bezweifelte Nynaeve. Sie wußte nicht viel von den Aiel, aber sie vermutete, wenn Amys schon ›hart‹ sagte, würde ein normaler Mensch das wohl als ›mörderisch‹ bezeichnen.
Offensichtlich war Elayne der gleichen Meinung. »Warum läßt sie ihn dann so weitermachen? Was tut er eigentlich?«
Durchaus eine Menge, wie sich herausstellte, und ganz eindeutig zuviel. Zwei Stunden am Tag übte er mit Lan oder jedem anderen, den er auftreiben konnte, den Schwertkampf. Das ließ Amys die Lippen säuerlich verziehen. Zwei weitere Stunden, in denen er sich im waffenlosen Kampf nach Aielart übte. Egwene mochte das eigenartig finden, doch Nynaeve wußte nur zu gut, wie hilflos man war, wenn man die Macht gerade nicht benützen konnte. Trotzdem - eigentlich sollte Rand gar nicht in eine solche Lage kommen. Er war doch mittlerweile so etwas wie ein König oder noch mehr, wurde von Far Dareis Mai bewacht und kommandierte Lords und Ladies herum. Tatsächlich nahm er sich soviel Zeit, sie herumzukommandieren und ihnen hinterherzulaufen, um sicherzugehen, daß sie seine Befehle auch befolgten, daß ihm nicht einmal die Zeit zum Essen blieb - es sei denn, die Töchter des Speers brachten ihm etwas zu essen hinterher, wo immer er sich gerade befinden mochte. Das schien Egwene beinahe genauso zu verdrießen wie Elayne, doch aus irgendeinem Grund blickte Amys dabei amüsiert drein. Als sie allerdings sah, daß Nynaeve ihren Blick bemerkt hatte, nahm ihre Miene sofort wieder den bei Aiel üblichen Ausdruck steinerner Ruhe an. Eine weitere Stunde pro Tag widmete er einer seltsamen Schule, die er begründet hatte, in die er nicht nur Gelehrte berufen hatte, sondern auch Handwerker, von irgendeinem Burschen, der Fernrohre oder so etwas anfertigte, bis zu einer Frau, die eine riesige Armbrust mit Flaschenzügen konstruiert hatte, mit der man einen Speer eine Meile weit schleudern konnte. Er hatte niemandem gesagt, welchen Zweck er mit dieser Schule verfolge - außer vielleicht Moiraine -, doch die einzige Antwort, die Egwene auf ihr Nachfragen von der Aes Sedai erhalten hatte, war, der Drang, etwas Bleibendes zurückzulassen, sei wohl in jedem Menschen vorhanden. Moiraine schien es gleich zu sein, was Rand tat.
»Was von den Shaido noch übrig ist, zieht sich nach Norden zurück«,
Weitere Kostenlose Bücher