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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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sonst. Sie hatte ihm gebratenen Fisch serviert, seine Lieblingsspeise , und trotzdem hatte er sie kaum angerührt. Und dass er mitten in der Nacht heimlich aufstand und das Haus verließ , konnte doch wirklich nur eins bedeuten – er wollte zu der Señora, um zu versuchen sie umzustimmen und zu ihm zurückzukehren. Warum nur? Was fand er an dieser Frau, dieser Hexe? Womit war es ihr gelungen, aus Juan einen anderen Menschen zu machen, einen Fremden, den sie kaum noch wiedererkannte, wenn er abends nach Hause kam? Hatte sie ihm ein Gift eingeflößt? Ihn verhext?
    In diesem Augenblick hörte Suzanna wieder ein Geräusch an der Tür. Sie setzte sich auf und lauschte. Ja, tatsächlich, da machte sich jemand an der Haustür zu schaffen, und er bemühte sich, dabei leise zu sein, aber sie hörte es trotzdem. Sie hörte das Klicken, als die Tür vorsichtig wieder ins Schloss gedrückt wurde und die Riegel vorgeschoben wurden . Dann durchquerten leise Schritte die Halle. Jemand ging auf Zehenspitzen.
    Juan!, dachte Suzanna, legte sich rasch auf die Seite, zog sich die Decke bis zum Kinn und tat, als ob sie schlafen würde.
    Leise wurde die Tür des Schlafgemachs geöffnet. Durch ihre halb geschlossenen Lider sah Suzanna einen dunklen Schatten hereinhuschen. Juan gab sich zwar Mühe, möglichst wenig Geräusche zu machen, aber er keuchte. Er keuchte vor Anstrengung, während er sich wieder im Dunkeln seiner Kleider entledigte. Er keuchte wie jemand, der eine weite Strecke gerannt war oder … oder …
    Wie jemand, der eine stürmische Nacht mit seiner Geliebten verbracht hatte, dachte Suzanna und biss die Zähne zusammen , bis ihr die Kiefer wehtaten. Also war er doch wieder bei ihr gewesen. Und wie es schien, hatte sie ihn mit offenen Armen und Kleidern empfangen. Diese Hure! Verflucht sollte sie sein! Mochten die Pest und die Pocken ihr das Gesicht zerfressen!
    Juan ließ sich auf seiner Seite des Bettes nieder und mit einem Seufzer in die Kissen sinken. Es war ein Seufzer der Erleichterung, der Erfüllung, der Erschöpfung. Offenbar war er zufrieden mit dieser Nacht. Suzanna hingegen wollte schier zerspringen vor Scham, Wut und Schmerz. Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf, und hastig stopfte sie sich den Zipfel ihrer Decke in den Mund. Doch diese Vorsichtsmaßnahme war unnötig, denn im selben Augenblick konnte sie an einem lang gezogenen Schnarchen erkennen, dass Juan bereits eingeschlafen war. Ja, er konnte schlafen, während sie kein Auge zubekam und sich von einer Seite auf die andere wälzte. Dabei musste er doch eigentlich ein schlechtes Gewissen haben. Er betrog sie, sein vor Gott und der Kirche angetrautes Eheweib. Und sie bekam die dunklen Ränder unter den Augen. Das war nicht gerecht. Doch sie würde selbst für Gerechtigkeit sorgen. Sie würde sich rächen, sie würde dem schlechten Einfluss dieser Frau ein Ende bereiten . Keine Frau sollte ihr ungestraft den Mann stehlen, und sei sie noch so klug und gebildet. Morgen, gleich morgen früh, sobald Juan das Haus verlassen hatte, um zur Schreibstube zu gehen, würde sie sich auf den Weg zum Alcázar machen, dorthin, wo der Inquisitor von Córdoba residierte. Sie würde der Inquisition von der Señora erzählen. Und bestimmt würde man sie dort anhören.
    Anne konnte und wollte nicht schlafen. Seit den Abendstunden saß sie auf der Kante ihres Bettes. Es handelte sich um ein Angst einflößendes Ungetüm mit einem ausladenden geschnitzten Kopf- und Fußteil und einem Baldachin aus einem schweren dunkelroten Stoff, dessen Farbe sie an getrocknetes Blut erinnerte. Nicht weniger als sechs Kissen türmten sich an dem Kopfteil übereinander, und die mit Gänsefedern gefüllte Decke war so schwer, dass sie fürchtete, im Laufe der Nacht von ihr zerquetscht zu werden. Die Bettkante war hart und drückte ihr langsam, aber sicher die Blutzufuhr der Beine ab. Ihre Füße wurden bereits taub. Trotzdem konnte sie sich nicht dazu entschließen, sich endlich hinzulegen. Aus irgendeinem Grund mochte sie das Bett nicht. Sie fürchtete sich regelrecht vor ihm. Vielleicht lag es daran, dass es sie an diverse Horrorfilme erinnerte, in denen alte Schlösser eine wichtige Rolle spielten. Dabei hatte der Bischofspalast überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Spukschloss: Es war ein schlichter, typisch spanischer Bau mit zierlichen Säulen. Es gab hier keine spitzen Türme, finstere Ecken oder Gewölbe. Alles war klar und übersichtlich angeordnet – abgesehen von der

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