Die Feuer von Córdoba
habe meine Tage«, »ich bin müde«, »Migräne«? Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen. »Ich …«
Karl V. kniff die Augen zusammen. »Offenbar zieht Sie es vor, sich zu weigern«, sagte er mit eisiger Stimme. » Vielleicht scheut Sie die Anstrengung, die mit dieser Aufgabe verbunden ist? Ist Sie möglicherweise dem Laster der Faulheit verfallen?«
Anne schluckte. Das Gespräch nahm eine Wendung, die ihr überhaupt nicht gefiel. Ein falsches Wort, und sie würde für unbestimmte Zeit in einem feuchten Loch auf schmutzigem Stroh schlafen müssen.
»Majestät, bitte, ich …« Sie presste die Lippen zusammen. Dann sah sie dem Kaiser direkt in die Augen. Sie beschloss, an sein Mitgefühl zu appellieren. Er war doch bisher so freundlich, so verständnisvoll gewesen. Bestimmt erzählte er nicht jedem seiner Untergebenen von dem Kummer, den der Tod seiner Frau ihm immer noch bereitete. »Ich bitte Euch von ganzem Herzen, Majestät, lasst diesen Kelch an mir vorübergehen . Nehmt mich nicht mit ins Gericht. Es ist nicht die Arbeit, die ich scheue, keineswegs, aber …« Sie schüttelte den Kopf und senkte den Blick. »Es tut mir Leid, aber ich kann nicht. Vergebt mir meine Aufrichtigkeit, aber in meinen Augen handelt es sich bei diesen Prozessen um ein makabres, entsetzliches Schauspiel, und allein der Gedanke, daran teilnehmen zu müssen, widert mich an.«
»Ich verstehe«, sagte er langsam, doch seine Stimme klang nicht einen Deut freundlicher. »Ich kann Sie wirklich gut verstehen . Nur wenige Männer und Frauen in meinem Reich bleiben von diesen Prozessen und der anschließenden Urteilsvollstreckung unberührt oder sehnen sie gar herbei. Dennoch würde es keiner von ihnen jemals wagen, sich einer solchen Aufgabe zu entziehen, wenn sie ihm auferlegt wurde. Oder sich gar dem Willen des Kaisers zu widersetzen.«
Anne sah auf. Sie wagte kaum zu atmen. Jetzt ist es geschehen , dachte sie. Jetzt hast du deine Sympathien verspielt.
»Majestät, bitte, so ist es nicht, es ist nur …«
»Ihr ist doch gewiss klar, dass ich niemals zulassen werde, dass ein Schreiber, möge er auch noch so fähig und begabt sein, seine Wünsche über die des Kaisers stellt«, fiel er ihr ins Wort. »Ich bin der Kaiser. Es ist mein Wille, dass Sie mich morgen zu diesem Prozess begleitet. Und deshalb wird Sie es tun.«
Seine blauen Augen blitzten wie Eiskristalle. Anne schluckte . Jetzt konnte sie verstehen, wie es ein Mann wie Karl V. schaffte, ein derart großes Reich zu regieren. Wenn er wollte, konnte er nicht nur streng und unerbittlich sein, sondern sogar Angst und Schrecken um sich herum verbreiten. Trotzdem wollte sie sich noch nicht geschlagen geben. Schließlich stand viel mehr auf dem Spiel als ihr eigenes Wohlbefinden. Wenn Giacomo de Pazzi das Drachenöl nicht einnahm, würden in den kommenden Jahrzehnten so viele Menschen sterben , dass sich dagegen ihre Angst vor Kerker und Verbannung geradezu lächerlich ausnahm.
»Majestät, ich flehe Euch an …«
»Falls Sie es immer noch nicht verstanden hat«, schnitt ihr Karl V. das Wort ab, »dies ist ein Befehl. Auch wenn Sie offenbar mit den Gepflogenheiten des Hofes nicht vertraut ist, so wird Ihr doch gewiss schon zu Ohren gekommen sein, was mit jenen geschieht, die einem Befehl des Kaisers nicht gehorchen . Ganz gleich, ob Mann oder Weib.« Langsam stieß er die Luft aus und stand auf. »Sie darf sich zurückziehen«, sagte er und hob dabei den Kopf so, dass er sie von oben herab ansah. »Morgen früh wird ein Lakai Sie abholen und zum Gerichtssaal bringen. Bis dahin bleibt Sie in Ihrem Gemach , falls ich Ihre Dienste nochmals benötige.«
Er nickte Anne kurz zu und wedelte einmal mit der Hand, als wollte er sie fortscheuchen wie eine lästige Fliege. Anne stand auf und ging davon. Eigentlich hätte das Benehmen des Kaisers sie wütend machen müssen, aber sie war nicht wütend . Tatsächlich spürte sie nichts als Angst. Eine Angst, die sich mit jedem Schritt weiter steigerte, bis sie schließlich zur Panik angewachsen war. Während sie den Gang entlang zu ihrem Schlafgemach schlich, jagten sich in ihrem Kopf die Gedanken. Sie konnte nicht zu dem Prozess gehen. Das war unmöglich! Aber was sollte sie tun? Natürlich mit Bartolomé sprechen. Das war das Erste, was ihr einfiel. Und sicher wäre es auch das Beste gewesen. Der Zigeuner hätte ihr bestimmt einen guten Rat geben oder Cosimo zu Hilfe rufen können. Die Sache hatte nur einen Haken – sie hatte
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