Die Feuer von Córdoba
, den kleinen Altar in der Ecke des Raums, den hohen Lehnstuhl für den Inquisitor, das Schreibpult, das Seil, das von der Decke herabbaumelte, die beiden Diener, die bereits ihre dunklen Roben angezogen hatten. Es erschien ihm wie eine Szene aus einem Albtraum. Aber warum? Was sollte heute anders sein als an anderen Tagen? Was war an diesem Verhör anders als an anderen?
Pater Giacomo kniete vor dem Altar. Es roch nach dem Ruß der Fackeln, nach den massigen Körpern der beiden Diener , die unter dem dichten Stoff ihrer Kutten bereits zu schwitzen begannen, und nach dem Angstschweiß all der Gefangenen , die im Laufe der Zeit hier verhört worden waren. Die Luft war so stickig, dass Stefano glaubte jeden Augenblick ohnmächtig zu werden. Selbst die beiden Kerzen auf dem Altar flackerten unruhig, als wollten sie gleich wieder erlöschen.
Hastig durchquerte Stefano den kleinen Raum und kniete sich neben Pater Giacomo nieder, um sich im Gebet auf das Verhör vorzubereiten. Aber es wollte ihm nicht gelingen, sich zu konzentrieren. Hinter ihm waren Pedro und Carlos mit den Vorbereitungen für das Verhör beschäftigt. Für gewöhnlich störten ihn diese Geräusche nicht, aber heute lenkten sie ihn ab. Vielleicht waren sie diesmal einfach nur besonders laut.
Er hörte, wie Pedro den großen Lehnstuhl zurechtrückte, und Carlos Stundenglas, Feder, Tinte und Pergament auf das Schreibpult legte. Dann widmeten sich die beiden Diener dem Seil, das an einem Flaschenzug von der Decke herabbaumelte . Stefano konnte verfolgen, wie es Zoll für Zoll auf den Boden fiel, während Carlos und Pedro es auf seine Festigkeit hin prüften. Der Flaschenzug klirrte, als sie das Seilende wieder hindurchschoben und den Haken daran festknoteten. Dieser Haken war groß und schwer. Er ähnelte den Fleischerhaken , welche die Metzger in ihren Läden benutzten. Eine perverse Ähnlichkeit, wenn man bedachte, dass an diesem Haken weder Schinken, Würste noch Schweinehälften, sondern ein Mensch hängen würde. Ein lebender, atmender Mensch.
Stefano schloss die Augen. Die Übelkeit wurde stärker. Er stellte sich vor, wie Pedro und Carlos in diesem Moment das Seil packten und sich mit ihrem ganzen Gewicht daran hängten. Das taten sie immer. Sie wollten kein Risiko eingehen , dass der Strick oder womöglich sogar der Flaschenzug an der Decke während des Verhörs nachgab. Stefano holte tief Luft. Normalerweise nahm er diese Dinge kaum wahr. Was war nur heute mit ihm los?
Unterdessen hatte Pater Giacomo sein Gebet beendet. Er machte das Kreuzzeichen und stand auf. Stefano war erleichtert , denn jetzt durfte auch er sich wieder erheben. Er liebte das Gebet und die innere Einkehr, doch an diesem Tag schien es ihm weder Ruhe noch Frieden zu bringen. Im Gegenteil , er hatte sogar das Gefühl, dass es ihn eher noch mehr verwirrte.
»Du bist bleich wie der leibhaftige Tod, Stefano«, sagte Pater Giacomo und musterte ihn. »Ist dir nicht wohl?«
Stefano schüttelte den Kopf und versuchte dem forschenden Blick seines Lehrers auszuweichen. Seine Hände verkrampften sich ineinander, und er war froh, dass sie wieder in den Ärmeln seiner Kutte steckten, sodass Pater Giacomo wenigstens das nicht sehen konnte.
»Es ist nichts, Pater Giacomo«, sagte er. Und obgleich ihm klar war, dass er log, konnte er seinem Lehrer und Mentor doch nicht die Wahrheit sagen – er kannte sie schließlich selbst nicht.
»So?«
Pater Giacomo hob nur eine Augenbraue, aber Stefano hatte den Eindruck, dass er mehr wusste als er selbst, denn er hatte die Fähigkeit, in ihn hineinzusehen, als wären sein Kopf und seine Seele aus Glas. Zuweilen war es richtig beängstigend . Vielleicht kannte Pater Giacomo den Grund für sein Unwohlsein und sein Unbehagen. Sollte er ihm davon erzählen und ihn um Rat fragen? Er öffnete gerade den Mund, als ihm wieder die Warnungen der seltsamen Frau einfielen, die ihn vor einiger Zeit im Beichtstuhl aufgesucht hatte. In den ersten Tagen danach hatte er sich, so oft es seine Zeit und seine Pflichten als Gehilfe des Inquisitors erlaubten, in der Kirche herumgedrückt, um sie abzufangen und noch einmal mit ihr zu sprechen. Doch die geheimnisvolle Frau blieb verschwunden . Niemand schien sie zu kennen oder gesehen zu haben. Mittlerweile war er davon überzeugt, dass er tatsächlich alles nur geträumt hatte. Ja, er hatte dieses Gespräch sogar fast vergessen. Warum also fiel es ihm ausgerechnet jetzt wieder ein?
»Dann können wir also
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