Die Feuer von Córdoba
die Hand.
»Wie ist dein Name?«, fragte Pater Giacomo die Frau. Seine Stimme klang hart, kalt und unnachgiebig.
»Ich bin Maddalena de la Cruz«, antwortete sie mit einer tiefen, vollen Stimme. Stefanos Kopf schnellte hoch. Er sah die Frau an, als wäre sie erst soeben in diesem Raum erschienen . »Manche nennen mich auch Mutter Maddalena.«
Wie erstarrt stand Stefano an seinem Schreibpult und starrte die Angeklagte an. Aber war denn das möglich? Hatte er sich bestimmt nicht verhört? Diese zarte, gebrechlich wirkende Nonne konnte doch nicht die Frau aus dem Beichtstuhl sein? Die Frau, die ihn vor Pater Giacomo gewarnt und die er sich als große junge Schönheit vorgestellt hatte? Und doch war es ihre Stimme, ihre wunderbare, wohlklingende Stimme. Sie war so voller Güte, so voller Wärme, und …
»Stefano!«, fuhr ihn Pater Giacomo verärgert an. »Steh nicht da herum und glotz nutzlos in die Gegend. Walte deines Amtes und schreib endlich mit!«
Mutter Maddalena wandte den Kopf und lächelte Stefano zu. Es war ein kaum sichtbares Lächeln, und sie blinzelte einmal , als wollte sie ihn ermahnen: Denk immer daran, was ich dir gesagt habe. Vergiss es nie.
»Stefano, was ist mit dir los?« Pater Giacomo schlug zornig mit der Faust auf die Armlehne seines Stuhls, sodass das Holz ächzte. »Tauch endlich die Feder in die Tinte! Oder soll ich dich ablösen lassen?«
»Verzeiht, Pater, verzeiht«, murmelte Stefano und senkte rasch den Blick auf das Pergament vor ihm. Schamesröte stieg ihm ins Gesicht. Er schämte sich für das, was er hier tat.
»Also noch mal«, sagte Pater Giacomo, »damit unser zerstreuter Schreiber auch wirklich alles notieren kann. Wie ist dein Name?«
»Maddalena de la Cruz«, antwortete sie wieder. Ihre schöne Stimme klang fast heiter, als wäre das Ganze in Wirklichkeit nur ein harmloses Spiel. »Und manche nennen mich auch Mutter Maddalena.«
Laut kratzte die Feder auf dem Pergament. Die Tinte war dickflüssig, als hätte jemand Mehl hineingerührt, jemand, der verhindern wollte, dass das Protokoll geschrieben wurde. Immer wieder musste Stefano die Feder in das Tintenfass tauchen , und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er endlich ihren Namen geschrieben hatte. Pater Giacomo wurde allmählich ungeduldig, doch dann stand endlich auf dem Pergament: »Maddalena de la Cruz, genannt auch Mutter Maddalena«. Ein dicker Tropfen Tinte löste sich langsam und schwerfällig von der Spitze der Feder wie ein Blutstropfen und fiel auf das Pergament. Die Buchstaben leuchteten und schimmerten so seltsam, dass Stefano sich fragte, ob sich wirklich nur gewöhnliche Tinte in dem Fässchen befand. Zum ersten Mal, seit er neben Pater Giacomo an Verhören teilnahm, hatte er das sichere Gefühl, dass sie wirklich unrecht taten. Sie, die der Inquisition dienten, bereiteten nicht dem Herrn den Weg, nein, sie waren im Begriff, eines seiner geliebten Geschöpfe zu töten. Das war Mord.
»Gut«, sagte Pater Giacomo. »Sehr schön.« Er schnalzte mit der Zunge, als könnte er die vor ihm liegende Prozedur kaum erwarten. Stefano war sicher, dass er, wenn er heute früh etwas gegessen hätte, es spätestens in diesem Augenblick wieder von sich gegeben hätte. »Ihr zwei wisst, was ihr zu tun habt.«
Pedro und Carlos nickten unter ihren Kapuzen. Sie lösten Maddalena de la Cruz – Mutter Maddalena – die Handfesseln und banden ihr die Hände auf den Rücken. Dann befestigten sie den Haken an dem Knoten. Schließlich griffen sie beide nach dem Seil, wie zwei Glöckner, die zum Angelus läuten wollten, und warteten.
Stefano schloss die Augen und faltete die Hände. Er wünschte sich weit fort, so weit, dass nicht einmal Pater Giacomo ihn finden konnte. Am besten auf die andere Seite des großen Meeres, in den Westen, dorthin, wohin so viele verschwanden, die vor Gräueln und Unrecht wie diesem auf der Flucht waren. Aber jetzt nützten ihm diese Wünsche nichts. Jetzt war er hier. Alle erwarteten von ihm, dass er seine Aufgabe erfüllte. Aber welche Aufgabe hatte er? War es wirklich seine Bestimmung, ein Werkzeug des Bösen zu werden ? Gott war die Liebe, die Güte, die Barmherzigkeit, die Schönheit, die Sanftmut, die Vergebung – und dieser Raum mit allem, was hier geschah, ein Widerspruch.
Pater Giacomo nickte Carlos und Pedro zu. Die beiden spuckten in die Hände und zogen an dem Seil. Dabei brauchten sie nicht einmal viel Kraft. Ein kurzes Keuchen war zu hören, als Mutter Maddalena die Arme durch den
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