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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Zug des Seils nach hinten und nach oben gerissen wurden. Sie kippte leicht nach vorne und schloss die Augen. Stefano konnte sehen, wie sich ihre Lippen bewegten. Wahrscheinlich betete sie um Kraft, Beistand, vielleicht sogar um Rettung. Dann lösten sich ihre Füße vom Boden. Das Verhör hatte begonnen.
    Geh diesen Weg
    Es war still im Haus. Im ersten Stockwerk schliefen die Kinder , und Suzannas Küche lag fast im Dunkeln. Eine einzige Kerze stand in der Mitte des Tisches, und schweigend saßen sie darum herum. Sie waren alle da – Juan und Suzanna, Cosimo und Anselmo, Teresa, Anne und Bartolomé.
    Anne sah zu, wie die Flamme der Kerze leicht flackerte. Nicht viel, nur ein bisschen, aber trotzdem hatte sie das Gefühl, dass sie nicht allein waren. Waren es Geister, die ihnen über die Schulter schauten und sie belauschten? Seelen , die endlich Genugtuung verlangten für das, was man ihnen angetan hatte? Es war still, so still, dass Anne das nächtliche Knacken der Deckenbalken hören konnte. Und in ihrer Fantasie steigerte es sich zum Knacken und Knistern brennender Balken und Strohdächer. Mit leiser, noch immer vom Rauch heiserer Stimme und immer wieder unterbrochen von einem trockenen Husten hatte Teresa von dem Überfall der Miliz auf das Kloster erzählt. Sie hatte geschildert , wie die Männer die Beete zertrampelt und brennende Fackeln in die Häuser und die Kirche geworfen hatten . Sie hatte berichtet, wie sie sich selbst auf einen Baum gerettet hatte und mit ansehen musste, wie Mutter Maddalena zusammen mit den anderen Nonnen von den Schergen des Inquisitors in den Wagen gepfercht worden waren. Und sie hatte erzählt, wie Pater Giacomo dabeigestanden und gelacht hatte. Anselmo saß in für ihn untypischer Schweigsamkeit neben ihr und hielt in seinen bandagierten Händen Teresas zarte Hand. Das flackernde Licht der Kerze malte Schatten auf sein Gesicht, als würde er immer noch inmitten der brennenden Trümmer des Klosters nach Teresa suchen.
    Dann hatte Bartolomé erzählt, was er auf den Straßen und in den Gasthäusern von den Bettlern und Dieben gehört hatte. Mutter Maddalena und die anderen Nonnen wurden in den Verliesen der Inquisition festgehalten. Nicht in dem offiziellen Gefängnis im Alcázar, wo die »leichten« Fälle untergebracht waren, sondern in dem geheimen Kerker unterhalb der Kirche San Tomás, den ein Angeklagter höchstens verließ, um seinen letzten Gang zum Scheiterhaufen anzutreten.
    »Seit heute Mittag wird Mutter Maddalena dort verhört .«
    Bartolomés letzte Worte schienen immer noch um sie herumzuschweben . Sie hatten sich auf sie und ihre ohnehin schon gedrückte Stimmung gelegt, sodass Anne das Gefühl hatte, nie wieder in ihrem Leben wirklich glücklich sein zu können. Eigentlich wollte sie nicht daran denken, doch sie konnte die Bilder aus den Geschichtsbüchern nicht aus ihrem Kopf verbannen. Unerbittlich stiegen sie aus den Tiefen ihrer Erinnerung empor wie Luftblasen in einem Teich. Es waren Bilder von Folterinstrumenten – dem so genannten Spanischen Stiefel, der Streckbank, den Daumenschrauben , Bilder von der Feuer- und der Wasserprobe und all den anderen Scheußlichkeiten, die die Hirne der Folterknechte sich im Laufe der Jahrzehnte erdacht hatten , um den als Ketzer oder Hexen Angeklagten ein Geständnis abzupressen. Sie fragte sich, ob die anderen hier am Tisch wohl auch von diesen Marterwerkzeugen wussten – oder ob sie sich die Schrecken dieser »Verhöre« in ihrer Fantasie ausmalten. Und sie überlegte, was wohl schlimmer war.
    Cosimo räusperte sich. »Ihr müsst die Stadt mit Eurer Familie verlassen, Señor Martinez«, sagte er und sah den Schreiber an, der die Hand seiner Frau festhielt, als hätte er Angst, man könnte sie ihm entreißen. »Noch heute Nacht.«
    Juan sah auf, dann nickte er.
    »Die Stadt verlassen?«, fragte Suzanna. Seit Teresas Bericht war sie bleich und still gewesen. Wie alle anderen hatte auch sie mit den armen Nonnen mitgefühlt und darüber sogar die Anwesenheit des pockennarbigen Zigeuners vergessen, der sie anfangs sichtlich entsetzt hatte. Anne hatte sogar Tränen in ihren Augen gesehen. Jetzt jedoch huschten ihre Blicke alarmiert zwischen Cosimo und ihrem Mann hin und her, und Anne konnte sich vorstellen, was in ihrem Kopf vor sich ging. »Aber warum denn?«
    »Ihr habt es Eurer Frau nicht gesagt, Señor?«, fragte Cosimo , anstatt Suzanna eine Antwort zu geben. Juan schüttelte den Kopf. »Dann ist also auch nichts für

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