Die Feuer von Córdoba
beginnen?«, fragte Pater Giacomo und ordnete sein Gewand.
Stefano nickte, aber seine Kehle war trocken, und sein Magen schlug Purzelbäume. Und im Grunde seines Herzens hatte er nur einen Wunsch – fort von hier. Was war bloß mit ihm los?
»Im Namen unseres Herrn Jesus Christus«, sagte Pater Giacomo und wandte sich an die beiden Diener, »führt die Angeklagte herein.«
Carlos und Pedro verneigten sich vor dem Inquisitor. Dann setzten sie ihre spitzen schwarzen Kapuzen auf, die das ganze Gesicht bedeckten und nur schmale Schlitze für Mund und Augen freiließen, und begaben sich aus dem Raum.
Stefano warf einen kurzen Blick auf die umfangreiche, mehrere Pergamentseiten umfassende Anklageschrift. » Mutter Maddalena«, wie die als Hexe angeklagte Frau von vielen bezeichnet wurde, hatte in einer Art Gemeinschaft zusammen mit anderen Frauen in den Bergen gelebt. Stefano war an dem Tag, als »Mutter Maddalena« und ihre »Schwestern« von der Inquisition ergriffen und nach Córdoba gebracht worden waren, nicht dabei gewesen. Er hatte die Verhörprotokolle für einen weiteren Ketzerprozess durchsehen, sortieren und in Reinschrift bringen müssen, während Pater Giacomo mit einigen Männern der ihm unterstellten Miliz in die Berge geritten war. Aber er hatte Gerüchte über die Festnahme dieser »Schwestern« gehört, und was ihm erzählt worden war, hatte ihm die Haare zu Berge stehen lassen.
Da hast du den Grund, dachte er und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. Seine Gedärme wanden sich und zwickten ihn, als wollten sie jeden Moment ihren Inhalt von sich geben. Es sind diese Gerüchte, die dich aus der Fassung gebracht haben, nichts weiter.
Stefano atmete tief ein und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. Er hatte die Aufgabe, bei den Verhören das Protokoll zu führen, nie besonders gemocht, im Gegensatz zu Pedro und Carlos, die ihre Tätigkeit manchmal regelrecht zu genießen schienen. Aber die Schreie der Verzweiflung, der Angst und des Schmerzes waren oft nur schwer zu ertragen. Und er hatte bereits jetzt eine Ahnung, dass es an diesem Tag besonders schlimm werden würde. Er warf Pater Giacomo einen verstohlenen Blick zu. Sein Mentor saß ruhig und gelassen auf dem hohen Lehnstuhl, beide Hände locker auf die Armlehnen gelegt. Er hatte die Augen geschlossen, als ob er schliefe, doch Stefano wusste, dass es ein letzter Moment der Sammlung war, bevor er sich dem Verhör stellte.
Schließlich öffnete sich die Tür, und die Angeklagte wurde hereingeführt. Sie sah ganz anders aus, als Stefano sich die Hexe vorgestellt hatte. Sie war klein und zart, fast wie ein junges Mädchen, doch sie ging barfuß und trug ein lehmfarbenes Gewand aus einem groben Stoff, einer Ordenskutte nicht unähnlich . Ihr Gesicht war schön. Es war geprägt von den Falten eines langen, erfüllten Lebens, dem weder Freuden noch Sorgen fremd waren, und ihre braunen Augen waren voller Wärme und Güte. Natürlich beging die Inquisition keine Fehler, das lag in ihrer Natur. Trotzdem fragte sich Stefano, ob man nicht vielleicht in diesem einen besonderen Fall die falsche Frau verhaftet hatte. Sie konnte doch gewiss keine Hexe sein.
Ohne Furcht, als ob sie nicht wüsste, was sie erwartete, sah sich die Nonne in dem Verhörraum um. Als ihr Blick auf Stefano fiel, lächelte sie. Es war das wohl liebevollste, gütigste Lächeln, das er je gesehen hatte. Sein Herz schlug schneller. War sie etwa die Frau, von der die Geheimnisvolle im Beichtstuhl gesprochen hatte? War sie etwa seine … seine Mutter? Doch dann fiel ihm ein, dass er ihr noch nie begegnet war. Und schon gar nicht in Jerusalem. Daran würde er sich erinnern . Bestimmt.
Pedro führte die Nonne in die Mitte des Raums, dorthin, wo das Seil vom Haken herabbaumelte. Der Raum war eng, und die gefesselten Hände der Frau streiften Stefano, als sie am Schreibpult vorbeiging. Es war eine leichte, zarte Berührung , als ob ein Schmetterlingsflügel ihn gestreift hätte. Dennoch erschütterte sie ihn bis ins Mark.
Sie ist unschuldig, flüsterte eine Stimme in ihm. Sie ist eine Heilige, und sie ist unschuldig.
Natürlich wusste er, dass sich der Teufel und seine Schergen so mancher verabscheuungswürdigen Tricks bedienten, um die Menschen zu täuschen. Also straffte er die Schultern und versuchte alles abzuschütteln. Und um seinen eigenen Geist vor gefährlichen Gedanken rein zu halten, heftete er seinen Blick fest auf das Pergament vor ihm und nahm die Feder in
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