Die Feuer von Córdoba
ich brauche deine Hilfe beim Packen. Vergebt mir die Unhöflichkeit, aber wir müssen uns beeilen.«
Sie stand auf, und noch ehe Juan etwas sagen konnte, hatte sie ihn mit sich aus der Küche gezogen.
»Eine starke, entschlossene Frau«, sagte Cosimo, und in seiner Stimme schwang deutlich Anerkennung. »Allerdings möchte ich jetzt nicht in seiner Haut stecken.«
Anne schüttelte den Kopf. »Ich habe es ihm gesagt. Ich habe ihm gesagt, er soll ihr die Wahrheit erzählen.«
»Ja, das wäre wohl besser gewesen.«
»Und was tun wir?«, fragte Anne. »Ich meine, wir können doch nicht einfach hier sitzen und abwarten, was Giacomo als Nächstes plant. Wir müssen doch …«
»Deshalb sind wir hier«, sagte Cosimo ruhig, und der Blick, mit dem er sie ansah, gefiel Anne gar nicht. »Das Drachenöl ist fertig. Es ist so weit. Jetzt seid Ihr dran, Señora Anne.«
Er holte aus einer ledernen Tasche einen in Tücher gewickelten Gegenstand hervor und gab ihn Anne.
Vorsichtig wickelte sie ihn aus. Es war eine Flasche mit einer grünen Flüssigkeit darin. Einen Augenblick lang war Anne sprachlos.
»Und was soll ich jetzt tun?«, fragte sie und fühlte sich plötzlich so hilflos wie selten.
»Mischt es Giacomo ins Essen«, antwortete Cosimo, als wäre das die einfachste Sache der Welt.
Annes Herz begann schneller zu schlagen, und sie spürte, wie Panik sie ergriff.
»Aber … aber wie soll ich das tun? Ich habe doch nichts mit dem Inquisitor zu schaffen. Ich komme ja nicht einmal in seine Nähe. Und selbst wenn mir das gelingen würde, würde er mich erkennen. Außerdem weiß ich gar nicht, wie viel davon ich ihm ins Essen mischen soll und …«
»Einfach den ganzen Inhalt«, sagte Cosimo.
Anne starrte die Flasche an, ihre Gedanken fuhren Kettenkarussell .
»Bitte«, sagte sie schließlich und schob die Flasche von sich weg zu Cosimo, »macht Ihr es. Ihr seid gewiss gewandter in diesen Dingen und könntet …«
Cosimo schüttelte den Kopf. »Nein, ich würde nicht einmal hundert Meter an Giacomo herankommen. Er würde meine Anwesenheit riechen.«
»Und was ist mit Anselmo? Er ist doch ein geschickter Dieb.«
»Nein, das Gleiche gilt auch für ihn.«
»Aber nicht für Bartolomé. Er könnte doch …«
»Bartolomé wird noch heute Nacht mit der Familie Martinez die Stadt verlassen. Und ich verrate Euch wohl kein Geheimnis , wenn ich Euch sage, dass er innerhalb der nächsten Monate nicht zurückkehren wird.« Er hob bedauernd die Schultern und schob die Flasche wieder zu ihr hin. »Dies ist Eure Aufgabe, Señora Anne. Und so gern ich selbst es auch tun würde, niemand kann Euch diese Bürde abnehmen.«
Anne schluckte. Sie fühlte sich schwach und hatte den Eindruck , jeden Augenblick in Ohnmacht zu sinken. Sie legte ihre Hände um die grünlich schimmernde Flasche und hielt sie fest.
»Aber wie? Wie soll ich das anstellen?«
Wieder zuckte Cosimo mit den Schultern. »Ihr seid klug, Señora. Ich bin sicher, dass Euch etwas einfallen wird.« Er legte tröstend eine Hand auf ihren Arm. »Außerdem sind wir ab jetzt in Eurer Nähe. Sobald einer von uns eine Idee hat, die Euch nützlich sein könnte, werden wir es Euch wissen lassen .«
Anne nickte und versuchte sich mit den üblichen Floskeln zu beruhigen, die man sich normalerweise in solchen Situationen zu sagen pflegte: Kommt Zeit, kommt Rat. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Eile mit Weile. Abwarten und Tee trinken. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen … Aber halfen diese sicherlich wohlgemeinten Redewendungen wirklich gegen die bohrenden, nagenden Zweifel und gegen diese panische Angst, die sie in ihren Klauen gepackt hielt und schüttelte, bis ihr die Zähne klappernd aufeinander schlugen? Nein, es half nicht. Nicht einmal ein bisschen.
Das Spiel der Wahrheit
Karl V. saß hinter dem Schreibtisch und las einen Brief, der vor wenigen Augenblicken gebracht worden war. Anne betrachtete den Kaiser aufmerksam. Er sah blass und müde aus. Und obwohl er sich große Mühe gab, es zu verbergen, erkannte sie doch, dass nicht nur die scheinbar ewig andauernden Ketzerprozesse ihm zu schaffen machten. Es ging ihm auch körperlich schlecht. Wenn er sich bewegte, verzog er manchmal das Gesicht, als ob er Schmerzen hätte, und wenn er glaubte, dass sie es nicht sah, schloss er die Augen und fuhr sich übers Gesicht. Eine Weile las er schweigend, dann ließ er das Schreiben sinken und starrte wie abwesend aus dem Fenster.
Anne überlegte
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