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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Zauberkräften haben.«
    Anne betrachtete ihren Sohn forschend. Täuschte sie sich, oder hatte er tatsächlich Mitleid mit Mutter Maddalena? Glaubte er womöglich nicht an ihre Schuld? Er, ein Diener der Inquisition, die rechte Hand von Giacomo?
    »So, kein Geständnis und keine Zeugen.« Karl V. runzelte die Stirn. »Und wie soll ich Euch jetzt helfen? Ist es nicht Sache der Inquisition, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten zu beweisen?«
    »Ja, Sire«, sagte Stefano, und seine schlanken Hände verkrampften sich ineinander, als wollte er die Worte aus der Luft pressen.
    Er will nicht hier sein, dachte Anne. Er hasst, was er tut. Er gibt diese Botschaft nur weiter, weil er nicht weiß, wie er Pater Giacomo sonst wieder gegenübertreten soll.
    »Doch Pater Giacomo ist fest davon überzeugt, dass Mutter Maddalena schuldig ist. Er würde sogar von neuem mit der Befragung beginnen, aber …« Er hob den Kopf und sah Karl V. an. »Sie ist viel zu schwach. Sie würde ein weiteres Verhör nicht überleben. Pater Giacomo möchte dem Volk keine Märtyrerin liefern. Allerdings darf die Inquisition niemanden ohne Geständnis zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilen, wie Ihr wisst.«
    »Ich sehe, worum es Euch geht«, sagte Karl V. Er dachte kurz nach. Dann legte er die Fingerspitzen aneinander und sah Stefano in die Augen. »Ich will Euch nicht zu nahe treten , Pater, aber habt Ihr schon einen Irrtum in Erwägung gezogen? Ist es nicht möglich, dass diese Frau in der Tat unschuldig ist und man sie einfach freilassen sollte? Ich habe die Ketzerakten der vergangenen zwei Jahre studiert. Pater Giacomo hat während der ganzen Zeit noch nicht ein einziges Mal einen Angeklagten von den Beschuldigungen freigesprochen . Natürlich ist es möglich, dass Córdoba tatsächlich ein Hort des Bösen ist, doch meine Erfahrung zeigt, dass oft genug neidische Nachbarn oder missgünstige Berufsgenossen die Hilfe der Inquisition in Anspruch nehmen, um unliebsame Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. Vielleicht ist dies so ein Fall?« Stefano wurde bleich, und Anne sah Karl V. mit zunehmender Unruhe an. Er bewegte sich auf hauchdünnem Eis. »Was meint Ihr selbst zu dieser Angelegenheit , Pater?«
    Stefano senkte den Kopf. Seine Hände bewegten sich auf seinem Schoß wie ein Knäuel Schlangen. Er kämpfte mit sich, seinem Gewissen und seiner Loyalität gegenüber Giacomo. Dabei bot er einen derart erbarmungswürdigen Anblick, dass Anne am liebsten laut »Aufhören!« gerufen und ihn in den Arm genommen hätte.
    »Pater Giacomo sagt …«, begann er schließlich, doch seine Stimme klang unsicher, als würde er einen Text aufsagen, den er vor langer Zeit gelernt und mittlerweile halb vergessen hatte. »Er sagt, dass sie schuldig sein muss. Er weiß es. Deshalb schickt er mich auch zu Euch und …«
    »Danke, Pater, das genügt«, unterbrach ihn Karl V. und warf Anne einen kurzen Blick zu. Sie dachten beide dasselbe . Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben war Stefano nicht derselben Meinung wie sein Mentor. »Richtet Pater Giacomo meinen ergebenen Gruß aus. Mir als Kaiser steht es leider nicht zu, in Fragen des Glaubens Urteile zu fällen. Meine Aufgabe ist es – und das weiß Pater Giacomo sicherlich auch –, einen Rechtsspruch, den die Kirche bereits gefällt hat, zu bestätigen.« Er rieb sich das Kinn. »Ich bedaure es außerordentlich, aber leider kann ich ihm in seinem Dilemma nicht helfen. Pater Giacomo wird in diesem Fall wohl selbst eine Lösung finden müssen.«
    Stefano nickte. Er wirkte erleichtert, obgleich Anne sich vorstellen konnte, dass er bereits jetzt überlegte, wie er die ablehnende Antwort des Kaisers dem Inquisitor möglichst schonend beibringen konnte. Er erhob sich.
    »Ich danke Euch, dass Ihr mir Gehör geschenkt habt, Sire«, sagte er und verneigte sich leicht. »Möge Gott Euch segnen.«
    »Ich danke Euch, Pater«, erwiderte Karl V. »Lasst mich wissen, wie die Entscheidung ausgegangen ist.«
    Ein bitteres Lächeln huschte über Stefanos Gesicht. »Pater Giacomo ist von Mutter Maddalenas Schuld überzeugt, also wird sie verurteilt werden, egal, wie. Man muss nicht das zweite Gesicht haben, um das zu wissen.« Er blickte erschrocken drein. »Verzeiht. Was ich eben gesagt habe, ist …«
    »Es bleibt unter uns, Pater«, entgegnete Karl V. »In diesem Raum wird niemand dafür verurteilt, dass er sagt, was er denkt. Wenigstens nicht, solange ich Kaiser bin und das verhindern kann. Lebt wohl, Pater

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