Die Feuer von Córdoba
konnte sie sich ja doch an etwas erinnern, wenn sie nur scharf genug nachdachte.
»Ich glaube, Ihr solltet den Genuss von Schweinefleisch und Rotwein meiden«, sagte sie schließlich, während sie behutsam den geschwollenen Fuß wieder auf den Schemel legte. Leider war dies das Einzige, was von dem Artikel noch in ihrem Gedächtnis hängen geblieben war. Aber immerhin besser als nichts.
»Ja, ja, ja!«, erwiderte Karl V. So wie er es sagte, klang es, als hätte er diesen Rat nicht zum ersten Mal gehört. Außerdem schien ihm seine Hilflosigkeit unangenehm zu sein. »Ich weiß, ich weiß – keinen Schinken, keine Würste, keinen fetten Braten. Isabella hat das auch immer gepredigt. Ihr klingt schon genau wie sie, Señora Anne. Genau wie sie.« Er sah sie an, und sein Gesicht wurde weich. Schließlich lächelte er. »Aber Isabella könnte Euch bestätigen, dass diese Mühe zwecklos ist. Ich liebe nun einmal den Geschmack deftiger Würste. Und einen Kelch, gefüllt mit einem wie hundert Funkelsteine leuchtenden Wein in den Händen zu halten ist eines der wenigen Vergnügen, die mir nicht einmal ein schlecht gelaunter Minister oder die üblen Nachrichten aus Deutschland nehmen können. Selbst mit achtzig oder neunzig Jahren würde ich vermutlich nicht davon lassen.«
So alt wirst du nicht werden, dachte Anne. Sie erinnerte sich daran, dass unbehandelte Gicht zum Tode führte. Die überschüssige Harnsäure lagerte sich in allen Gelenken an und schädigte schließlich die Nieren.
»Ihr seht so traurig aus, Señora«, sagte Karl V. und strich ihr sanft mit dem Handrücken über die Wange. Meist vermied er es, sie zu berühren. Wenn er es jedoch tat, war die Luft um sie herum augenblicklich erfüllt von einem elektrischen Prickeln. »Mein schmerzender Fuß sollte nicht Eure Sorge sein. Lasst uns lieber von anderen Dingen sprechen. Ihr sagtet gerade etwas über diese Pflanze. Also die Früchte sind giftig, aber die Knollen nicht? Soll man sie etwa aus der Erde graben wie Rüben?«
»Ja, Sire. Allerdings sind auch die Knollen für den Menschen ungenießbar, sogar gefährlich, wenn man versucht sie roh zu essen. Aber gekocht schmecken sie vorzüglich. Sie sind überaus nahrhaft, und man kann eine Vielzahl Speisen daraus zubereiten. Man kann sie zum Beispiel mit Salz in Wasser kochen, zu Suppe verarbeiten, in Fett braten, zu Brei zerstampfen , reiben und in Fett ausbacken oder …«
»Halt! Genug!«, rief Karl V., und auf seinem Gesicht lag eine seltsame Mischung aus Heiterkeit und Überraschung. »Ich werde meinem Hofgärtner sogleich von seinem Irrtum schreiben und ihm entsprechende Anweisungen geben. Aber nun beantwortet mir die bescheidene Frage, woher um alles in der Welt Ihr das wisst?«
Aus Geschichtsbüchern und täglicher Erfahrung, dachte Anne, aber das konnte sie dem Kaiser natürlich nicht sagen.
»Ich habe davon gelesen, Sire«, antwortete sie deshalb und tröstete sich damit, dass es nicht wirklich gelogen war.
Doch Karl V. neigte den Kopf zur Seite, und seine blauen Augen funkelten. »Gelesen, so.« Es war klar, dass er ihr nicht glaubte. Aber was sollte sie tun? Die Wahrheit konnte sie ihm wirklich nicht sagen, so Leid es ihr auch tat. »Ihr seid sehr gebildet, Señora. Und viel herumgekommen in der Welt seid Ihr auch. Weshalb also solltet Ihr nicht davon gelesen haben?« Er kniff die Augen zusammen, ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich würde die Hälfte meines Reiches dafür geben zu wissen, was in Eurem Kopf vor sich geht. Manchmal habe ich das Gefühl, Ihr wisst mehr, als eine Frau …«
Es klopfte, und ein Lakai trat ein. Selten hatte Anne sich so gefreut, einen der Diener zu sehen. Karl V. hatte eine nahezu unwiderstehliche Art, sie anzusehen und mit ihr zu sprechen. Und sie hätte nicht beschwören können, dass sie ihm nicht die ganze Wahrheit erzählt hätte.
»Majestät, vergebt mir die Störung«, sagte der Lakai und huschte in fast gebückter Haltung bis zum Schreibtisch des Kaisers vor.
Karl V. zog bedrohlich die Augenbrauen zusammen. Eigentlich hatte es sich im Bischofspalast mittlerweile herumgesprochen , dass Seine Majestät allzu demütige Ehrbekundungen nicht besonders schätzte, dass sie ihn sogar zuweilen richtig wütend machen konnten. Doch dieser Diener schien davon nichts zu wissen. Armer Kerl, dachte Anne. Wenn er nicht aufpasst, wird sich Karls Zorn über seinen Gichtanfall auf seinem Haupt entladen.
»Nun, was gibt es?«, fragte Karl V.
»Majestät, vergebt mir,
Weitere Kostenlose Bücher