Die Feuer von Córdoba
Stefano.«
Stefano verneigte sich erneut und verließ den Raum.
»Ein wackerer Bursche«, sagte Karl V. leise, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dabei sah er Anne forschend an. »Ich wusste schon immer, dass er mehr Verstand und Herz im kleinen Finger hat als der Inquisitor im ganzen Leib. Ein Jammer, dass er diesem Wahnsinnigen dient. Auf der anderen Seite …« Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, wozu Gott ihm ausgerechnet diese Aufgabe zugewiesen hat. Vielleicht ist er eines Tages in der Lage, weit Schlimmeres zu verhindern. Oder die Entscheidung um Mutter Maddalena bringt nun endlich das Fass zum Überlaufen.«
Eine Sekunde lang starrte Anne Karl V. wie vom Donner gerührt an. Dann kam Leben in sie. »Sire, würdet Ihr mich bitte für einen Augenblick entschuldigen?«
»Geht nur«, sagte Karl V. mit einem Lächeln, als ob er ahnen würde, was Anne gerade durch den Kopf geschossen war. Aber woher sollte er das wissen? Woher sollte er wissen, dass ihr ganz plötzlich ein Gedanke gekommen war, ein Einfall . Verrückt war er, vielleicht sogar aberwitzig, aber sie musste es versuchen. Jetzt. Auf der Stelle. Bevor sie den Mut dazu vielleicht nicht mehr aufbringen würde.
»Danke, Sire«, sagte sie, raffte ihre Röcke zusammen und lief so schnell hinaus, dass wohl jede Zofe am Hof Seiner Majestät missbilligend die Stirn gerunzelt hätte, wenn sie sie hätte sehen können.
Stefano war noch nicht weit gekommen. Gemächlich schlenderte er durch den breiten Flur und betrachtete die Bilder, die an den Wänden hingen. Offenbar hatte er es nicht eilig, in den Alcázar, in einen geheimen Kerker oder wo auch immer er Pater Giacomo von seinem Besuch beim Kaiser berichten sollte, zurückzukehren.
»Pater Stefano!«, rief Anne, ohne darauf zu achten, dass ein Lakai und ein junger Priester sich mit fragenden Blicken nach ihr umdrehten. Mochten sie sich doch das Maul über sie zerreißen. »Pater Stefano! Wartet!«
Tatsächlich blieb Stefano stehen. Er sah ihr mit einem Gesichtsausdruck , der zwischen Neugierde, Unbehagen und Angst hin und her schwankte, entgegen.
»Ich danke Euch, dass Ihr gewartet habt, Pater«, sagte sie und rang nach Luft. Es kam ihr seltsam vor, ihn, ihren Sohn, mit seinem Titel anzusprechen. Andererseits hatte sie ihn so gut wie nie gesehen. Er war ein Fremder. Außerdem war er bereits ein erwachsener Mann, biologisch gesehen war er sogar fast doppelt so alt wie sie. Und trotzdem, jetzt, da sie direkt vor ihm stand und in seine warmen braunen Augen blickte, die so sehr seinem Vater ähnelten, war es ihr, als würde sie Giuliano vor sich stehen sehen. Er wirkte so jung. Ihr Herz schlug schneller. »Ich wollte noch kurz mit Euch sprechen , Pater.«
Er versuchte zu lächeln. Dass er nervös war, hätte wohl jeder auch ohne psychologische Vorbildung erkannt.
»Señora Anne«, sagte er, und seine Stimme klang heiser, als hätte er sich plötzlich erkältet. »Wir haben uns schon mal gesehen, nicht wahr?«
»Ja, in Jerusalem. Vor ungefähr vierzehn Jahren«, entgegnete Anne. Und plötzlich stand sie wieder in der Grabeskirche . Sie sah Rashid vor sich, wie er blutüberströmt zusammenbrach und vor ihren Augen starb, durchbohrt von Giacomos Degen. Und der ganze Hass, den sie für Giacomo de Pazzi empfand, schwappte über sie hinweg wie eine riesige Flutwelle.
»Es tut mir Leid«, sagte Stefano und senkte den Blick. Sein Gesicht war rot vor Scham. »Es war nicht recht von Pater Giacomo und …«
»Es war nicht recht?«, zischte sie. Tränen schossen ihr in die Augen, und es kam ihr vor, als wäre das alles erst gestern passiert. »Das war Mord, Stefano, ein grausamer, heimtückischer Mord, noch dazu an heiliger Stätte! Jeder andere wäre dafür zum Tode verurteilt worden!«
»Ich weiß«, sagte er so leise, dass sie es fast überhört hätte. Er atmete schwer.
Sie biss die Zähne zusammen und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Aber deswegen wollte ich nicht mit dir sprechen. Es geht um etwas anderes, das jedoch ebenso wichtig ist. Wann und wo können wir uns treffen? Allein.«
Stefano überlegte kurz. Er schien sich nicht darüber zu wundern, ja, er fragte noch nicht einmal nach dem Grund, als ob er bereits geahnt hätte, dass sie ihn um ein geheimes Treffen bitten würde.
»Heute Abend nach Sonnenuntergang in der Kathedrale. Meist begibt Pater Giacomo sich mit Sonnenuntergang zur Ruhe und braucht mich dann nicht mehr. Außerdem betet er ohnehin nicht hier in der
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