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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Würde sie dann auch wie er und Anselmo jahrhundertelang leben – oder gar wahnsinnig werden wie Giacomo de Pazzi?
    Anne schluckte. Ihr war plötzlich übel, und Schweiß trat ihr auf die Stirn, während sie fieberhaft überlegte.
    Das erste Mal hatte sie das Elixier am vergangenen Samstag in Florenz getrunken, auf einem von Cosimo Mecidea veranstalteten mittelalterlichen Maskenball. Eigentlich war sie dort gewesen, um einen Artikel für ihre Zeitung über das Calcio in Costume zu schreiben, ein traditionelles, mittelalterliches florentinisches Fest. Sie hatte von Cosimos Maskenball gehört und sich mit der Hilfe eines Freundes eine Einladung verschafft. Das Elixier, das er ihr in einem wunderschönen antiken Kelch zu trinken gegeben hatte, hatte sie berauscht und dann, sozusagen im nächsten Augenblick, fast fünfhundert Jahre in die Vergangenheit zurückgeschickt. Sie war in einem Nebenraum von Cosimos Ballsaal eingeschlafen und im Oktober des Jahres 1477 aufgewacht. Anfangs hatte sie es nicht glauben wollen. Selbst als sie wieder in die Gegenwart zurückgekehrt war, hatte sie nicht glauben wollen, dass sie alles wirklich erlebt hatte. Sie war Lorenzo und Giuliano de Medici begegnet, zwei der beeindruckendsten Persönlichkeiten in der Geschichte dieser für Florenz so wichtigen und einflussreichen Familie. Sie hatte Cosimo getroffen, der in Wahrheit ein Cousin der beiden Brüder gewesen war. Sie hatte sich mit Giuliano verlobt und die Pazzi-Verschwörung hautnah miterlebt, in deren Verlauf Giuliano ermordet worden war. Und sie hatte Giulianos Sohn zur Welt gebracht. Das Kind, das unmittelbar nach der Geburt entführt worden war.
    Cosimo hatte ihr ein paar Tage später in Hamburg alles erklärt – oder es wenigstens versucht. Er hatte ihr von dem Elixier der Ewigkeit erzählt, von dessen Macht und den Gefahren, und von Giacomo de Pazzi, dem Mann, der Giulianos Tod verschuldet und ihren Sohn entführt hatte. Anschließend hatte Cosimo sie gebeten, nach Jerusalem zu fliegen und erneut in die Vergangenheit zu reisen. Ohne lange zu zögern war Anne dieser Bitte gefolgt, hatte Cosimo ihr doch in Aussicht gestellt, dort ihrem Sohn zu begegnen. Aber natürlich war ein Wiedersehen von Mutter und Kind nicht der einzige Grund für diese Reise gewesen. Cosimo wollte, dass sie in Jerusalem im Jahre 1530 nach einem Pergament suchte. Ein Pergament, auf dem das Rezept für ein Gegenmittel stehen sollte, mit dessen Hilfe angeblich die gefährlichen Nebenwirkungen des Elixiers der Ewigkeit behandelt werden könnten.
    Das war gestern gewesen, am Donnerstag. Und sie hatte diesen ungewöhnlichen Auftrag ebenso prompt und zuverlässig ausgeführt, wie sie auch ihre Arbeit in der Redaktion erledigte. Sie war nach Jerusalem gereist, hatte das Elixier der Ewigkeit getrunken und hatte sich in das Jahr 1530 bringen lassen. Sie hatte tatsächlich ihren Sohn gesehen, obwohl die Begegnung mit ihm ganz anders verlaufen war, als sie es sich erhofft hatte. Stefano war mittlerweile ein erwachsener Mann und Giacomo de Pazzi treu ergeben gewesen. Ausgerechnet jenem Giacomo de Pazzi, der seinen Vater Giuliano getötet hatte und der in seinem durch das Elixier der Ewigkeit ausgelösten Größenwahn einen neuen Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems von den Moslems plante. Aber trotz mancher Schwierigkeit hatte sie das Pergament gefunden. Und sie hatte es aus der Vergangenheit mitgebracht.
    Obwohl sie hoffte, dass sich mit der Übergabe dieses Pergaments an Cosimo ihre Aufgabe erledigt hatte, glaubte sie nicht so recht daran. Wenn Cosimo nur diese alte Schriftrolle hätte haben wollen, hätte er Anselmo nach Jerusalem reisen lassen oder ihr einen Flug nach Florenz buchen können. Der Umweg über Spanien wäre nicht nötig gewesen. Nein, Anne war ziemlich sicher, dass Cosimo sie erneut in die Vergangenheit schicken wollte. Wie einen Jagdhund würde er sie auf die Spur von Giacomo de Pazzi hetzen. Demselben Giacomo, der vor fünfhundert Jahren in Florenz Cosimos Freund gewesen war und der mit ihm zusammen das Elixier der Ewigkeit gebraut hatte. Dem Giacomo, der ihnen in Jerusalem im Jahre 1530 im letzten Augenblick entwischt war. Und der mit seinen eigenen Händen und vor ihren Augen Rashid ermordet hatte. Ihren Rashid.
    Anne griff in die Tasche ihres Kleides und holte eine Münze hervor. Sie sah neu aus. Das Gold strahlte und glänzte, als hätte sie bis vor wenigen Stunden in einem Banktresor gelegen. Doch der Eindruck täuschte. Die Münze war

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