Die Feuer von Córdoba
Flugnummern, grelle Neonreklamen und ein überdimensionales Werbeplakat für einen Film, der wohl in der nächsten Woche in Spanien anlaufen sollte, stachen in die Augen.
Willkommen im 21. Jahrhundert, dachte Anne und atmete tief ein. Sie fühlte sich wie eine Schiffbrüchige, die von einer großen Welle erfasst und auf das offene Meer getragen worden war – klein, verlassen, hilflos. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, und ganz allmählich wurde ihr schwindlig.
Ruhig, ermahnte sie sich selbst. Immer ruhig bleiben. Vergiss nicht, dass dir hier nichts passieren kann. Dies ist deine Welt, du bist zu Hause.
Anne versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Cosimo hatte ihr am Telefon gesagt, dass er und Anselmo sie vom Flughafen abholen würden. Sie war sicher, dass er sein Versprechen halten würde. Also sah sie sich um, ob einer der vielen, in der Ankunftshalle wartenden Menschen ein Schild mit ihrem Namen hochhielt. Endlich erblickte sie Anselmo.
Er stand abseits der Menschenmenge, lässig gegen eine Säule gelehnt, und sah aus wie ein Hollywoodstar auf der Durchreise zu den Filmfestspielen in Cannes. Er trug eine schmale helle Hose und ein weißes Hemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte. Achtlos hing seine Jacke über seiner linken Schulter. Wohl jedes weibliche Wesen im Umkreis von fünfzig Metern warf ihm im Vorbeigehen verstohlene Blicke zu, ordnete das Haar oder strich sich den Rock glatt. Anne hätte Wetten darauf abschließen können, dass so manche Frau sich fragte, ob sie diesen gut aussehenden jungen Mann nicht schon einmal im Fernsehen oder gar im Kino gesehen hatte. Doch Anselmo schien das Treiben um ihn herum nicht zu berühren. Er stand an der Säule wie ein von der Brandung umspülter Felsen. Oder eine Insel, die letzte Rettung einer erschöpften Schiffbrüchigen. Erleichtert ging Anne auf ihn zu.
Im gleichen Augenblick entdeckte Anselmo sie. Er schob sich die Sonnenbrille auf das dunkle Haar, lächelte ihr zu und kam ihr entgegen. Anne genoss die neidischen Blicke, die andere Frauen ihr zuwarfen.
»Schön, Sie wieder zu sehen, Anne«, sagte Anselmo auf Deutsch und küsste sie zur Begrüßung rechts und links auf die Wange. Dann streckte er seine Hand nach ihrem Koffer aus. »Ich nehme Ihr Gepäck. Hatten Sie einen angenehmen Flug?«
»Ja«, antwortete Anne und freute sich insgeheim über den giftigen Blick, mit dem eine stark geschminkte Blondine sie bedachte und der zu sagen schien: Wie kommt so eine Schreckschraube wie die an so einen Kerl? »Wo ist Cosimo?«
»Er erwartet Sie in der Lounge«, antwortete Anselmo und legte ihr ganz selbstverständlich und sanft eine Hand auf den Rücken, als ob er ahnen würde, dass ihr schwindlig war. »Dort entlang, bitte.«
Er führte Anne sicher durch das Gewühl des Flughafens, vorbei an vielen kleinen Boutiquen, Blumenläden und Zeitungshändlern, zur Lounge, die nur den Reisenden der ersten Klasse sowie den Inhabern von Gold- oder Platinkarten exklusiver Kreditkarteninstitute vorbehalten war.
Anselmo schien hier bereits bekannt zu sein, denn ein junger Mann in Livree öffnete ihnen ohne Zögern die gläserne Tür und nickte ihnen freundlich zu. Nach dem Lärm in der Halle kam es Anne so vor, als würde sie in die Stille einer Kirche eintreten, obwohl im Hintergrund leise Jazzmusik erklang. Sie erkannte das Saxophon von Stan Getz und fühlte sich gleich besser.
»Hier entlang, bitte«, sagte der junge Mann auf Englisch. »Señor Mecidea erwartet Sie bereits.«
Sie gingen an ausladenden, bequem aussehenden Ledersesseln vorbei, in denen Männer und Frauen in teuren Anzügen und exklusiven Kostümen saßen, sich leise unterhielten oder an ihren Laptops arbeiteten. Anne kam sich vor wie in einem vornehmen altenglischen Club, in dem nur Adlige verkehrten. Es roch nach teurem Tabak, Kaffee und Whisky. An der halbrunden, aus schwarzem Holz gefertigten Theke stand ein dunkelhäutiger, arabisch aussehender Mann und wischte Gläser trocken. Als sie an ihm vorbeikamen, blickte er kurz auf und lächelte ihnen zu, als würde er sie bereits seit Ewigkeiten kennen. Ein Gedanke zuckte durch Annes Hirn. Gehörte der Barkeeper etwa auch zu Cosimos Leuten? Waren er und seine Kollegen dazu da, dafür zu sorgen, dass sie gar nicht erst auf die Idee kam, sich gegen Cosimos Wünsche zu sträuben und eine weitere Reise in die Vergangenheit abzulehnen?
Fieberhaft dachte sie darüber nach, wie sie fliehen konnte, doch es fiel ihr nichts ein. Und als sie
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