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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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uns nichts anderes übrig, als uns in Geduld zu üben. Wir müssen es nehmen, wie es kommt.« Anselmo stöhnte auf, und Anne musste lächeln. Geduld war bestimmt nicht seine herausragendste Eigenschaft. »Räum den Tisch ab und kümmer dich um die Señora, Anselmo. Ich werde mich in mein Gemach zurückziehen und sofort mit der Arbeit beginnen . Sorge bitte dafür, dass ich nicht gestört werde.«
    Cosimo rollte die Pergamente zusammen, schob sie in die Kartusche zurück und erhob sich. Er nahm eine brennende Kerze von einem der Leuchter und stieg die Treppe hinauf. Anne sah ihm sehnsüchtig nach, während Anselmo bereits die Teller zusammenstellte, um sie in die Küche zu tragen. Sie hätte Cosimo gern bei der Entschlüsselung der drei Pergamente geholfen – oder ihm doch wenigstens dabei zugesehen. Wie oft bekam man wohl im Leben die Gelegenheit, eine Schrift in den Händen zu halten, die dem Zauberer Merlin zugeschrieben wurde, einem Mann, der eher eine Sagengestalt denn eine historisch bezeugte Persönlichkeit war? Sie überlegte, ob sie Cosimo wohl einfach nachgehen und ihm ihre Hilfe anbieten solle. Zu zweit würde ihnen die Entschlüsselung bestimmt leichter und schneller von der Hand gehen.
    »Denkt nicht einmal daran, Señora«, sagte Anselmo, als wüsste er genau, was gerade in Annes Kopf vor sich ging. »Ihr habt es doch gehört, er will ungestört sein. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns in Geduld zu üben«, ahmte er Cosimos Stimme nach. Dann lächelte er grimmig. »Ob es uns nun gefällt oder nicht, wir müssen abwarten, Señora. Wenn Euch das zu langweilig ist, könnt Ihr Euch die Zeit damit vertreiben, mir in der Küche helfen.«
    Hoffnung
    Natürlich half Anne Anselmo. Sie hätte es ohnehin nicht ertragen, Stunde um Stunde herumzusitzen und darauf zu warten, dass Cosimo ihnen endlich das Ergebnis seiner Bemühungen präsentierte. Im Stall und auf den umliegenden Weiden standen etwa zwei Dutzend Pferde. Für gewöhnlich kümmerte sich Cosimo wohl selbst um sie, da Anselmo sich kaum näher als bis auf eine Forkenlänge an die Tiere heranwagte. Und weil Anne früher eine begeisterte Reiterin gewesen war, hatte sie sich bereit erklärt, die Stallarbeit zu übernehmen. Seit ihrer Teenagerzeit hatte sie sich nicht mehr so intensiv um Pferde kümmern können, und bereits nach wenigen Stunden hatte ihre Kleidung diesen unverwechselbaren Pferdegeruch angenommen, den sie so geliebt und im Laufe der Jahre fast vergessen hatte. Ställe auszumisten, Pferde zu striegeln oder sich auf das Gatter zu setzen und einfach die Tiere auf der Weide zu beobachten hatte etwas Meditatives. Es war ein bisschen wie die Rückkehr in die eigene Kindheit. Allerdings war es eine trügerische Idylle, denn sosehr sie die Arbeit im Stall genoss, die Unruhe und Ungeduld schwelten in ihr. Auch Anselmo wurde von Stunde zu Stunde nervöser. Sie wollten endlich wissen, was in diesem Pergament stand.
    Die Zeit verging, ohne dass sie Cosimo zu Gesicht bekamen . Er hatte die Tür seines Zimmers verriegelt und die Fensterläden geschlossen. Regelmäßig brachte ihm Anselmo das Essen auf einem Tablett hinauf und stellte es vor seine Tür. Wenn er das Tablett dann wieder abholte, fanden sie manchmal einen Zettel, auf dem Cosimo um Tinte, Kerzen oder weitere Blätter Pergament bat. Meist jedoch blieb das Essen unbeachtet, und Anselmo trug es so wieder in die Küche zurück, wie er es hinaufgetragen hatte. Und die Läden seiner Fenster blieben fest geschlossen. Nur der schwache Kerzenschein, der durch die Ritzen nach außen drang, verriet , dass er immer noch in seinem Zimmer war und angestrengt arbeitete.
    Mit Hingabe striegelte Anne Ricardo. Cosimos Pferde waren eins wie das andere außergewöhnlich schöne Tiere, aber den temperamentvollen vierjährigen Hengst hatte sie besonders ins Herz geschlossen. Während sie mit der Bürste Ricardos kastanienbraunes Fell zum Glänzen brachte, warf sie immer wieder einen Blick zu Cosimos Fenstern. Nichts hatte sich verändert.
    Er hat es gut, dachte sie und seufzte tief, er kann etwas Sinnvolles tun. Und wir?
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, wandte Ricardo ihr den Kopf zu und stupste sie mit der Nase an.
    »Du hast Recht«, sagte sie laut und streichelte sein weiches Maul. »Auch ich kann mich nützlich machen.«
    In diesem Augenblick kam Anselmo auf den Hof und trat neben Anne.
    »Er hat schon wieder nichts gegessen«, sagte er zu ihr und sah ebenfalls zu den geschlossenen Fensterläden empor.

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