Die Feuer von Córdoba
Er war so besorgt, dass er sogar seine Angst vor dem Pferd vergaß . »Drei Tage und vier Nächte sind es nun schon, ohne dass er auch nur einmal das Licht gelöscht hätte. Es reicht. Ich schwöre, und Gott ist mein Zeuge, wenn er bis zur Vesper an diesem Abend sein Zimmer nicht verlässt, dann hole ich ihn heraus, selbst wenn ich die Tür mit einer Axt einschlagen muss!«
»Das wird wohl nicht nötig sein.«
Die unerwartete Stimme in ihrem Rücken ließ Anne und Anselmo herumfahren. Auch Ricardo wandte den Kopf und stieß ein erfreutes Wiehern aus, um seinen Herrn zu begrüßen.
»Ich bin fertig«, sagte Cosimo. Er sah furchtbar aus – bleich, viel bleicher noch, als er ohnehin schon war, mit dunklen Ringen unter den Augen. Obwohl sich sein Gesicht nicht wirklich verändert hatte und immer noch genauso glatt und jugendlich war wie vor drei Tagen, sah er jetzt doch aus wie ein Greis. Allerdings hatte er die ganze Zeit gearbeitet, kaum geschlafen und wenig gegessen, sodass sich Anne darüber keine Gedanken machte.
Ein überraschend eisiger Wind kam plötzlich auf und blies ihr in den Nacken. Die Temperatur schien innerhalb weniger Sekunden um mindestens zehn Grad zu sinken, und eine dunkle Wolke schob sich vor die Sonne. Sie erschauerte.
Februar, dachte sie, es liegt an der Jahreszeit. Selbst in Andalusien kann der Februar unfreundlich, kalt und regnerisch sein.
Cosimo trat zu Ricardo und streichelte seinen glatten Hals, während das Pferd zärtlich an seinem Hemd knabberte.
»Es ist mir gelungen, die Schrift zu entschlüsseln.«
»Und?« Anselmos innere Spannung war so groß, dass die Luft um ihn herum förmlich vibrierte.
Cosimo lehnte seine Stirn gegen den Pferdekopf, und Anne fragte sich, ob er wohl gleich im Stehen einschlafen würde. Doch er hatte sich unter Kontrolle. Er klopfte Ricardos Hals, dann wandte er sich um.
»Kommt mit ins Haus. Ich werde es euch zeigen.«
Anne fühlte sich, als hätte sie sich stundenlang durch einen Schneesturm gekämpft. Sie fror erbärmlich, und als sie das Haus betrat, zog es sie augenblicklich zum Kamin. Während sie ihre Hände wärmte, dachte sie daran, dass sie am Morgen noch Anselmo angesichts des Sonnenscheins gesagt hatte, er könne sich die Mühe mit dem Feuer sparen. Jetzt war sie dankbar, dass er nicht auf sie gehört hatte.
Cosimo ging zum Tisch, auf dem er bereits zahlreiche Pergamente ausgebreitet hatte. Anselmo und Anne setzten sich und sahen ihn erwartungsvoll an.
»Und«, fragte Anselmo, nachdem Cosimo eine ganze Weile nichts anderes getan hatte, als in den Pergamenten auf dem Tisch herumzuwühlen, »handelt es sich um das Rezept für das Drachenöl?«
Cosimo blickte zerstreut auf und sah ihn und Anne an, als hätte er für einen Moment vergessen, dass sie noch da waren.
»Ja«, sagte er schließlich und widmete sich sofort wieder den Papieren.
Anselmo stieß einen triumphierenden Schrei aus und sprang auf.
»Endlich ist es so weit, endlich!«, rief er und umarmte Anne. »Wir haben das Rezept! Wir haben es!«
Anne erwiderte seine Umarmung halbherzig. Natürlich war das eine gute Nachricht, aber weshalb war Cosimo dann nicht ebenso euphorisch? War es wirklich nur Müdigkeit? Sie beobachtete ihn aufmerksam. Und je länger sie ihm dabei zusah , wie er die Pergamente hin und her schob, umso mehr verkrampfte sich ihr Magen. Anselmo ließ sich langsam auf seinen Stuhl nieder. Auch er schien es zu bemerken.
»Was stimmt nicht, Cosimo?«, fragte er mit einer Stimme, als wäre er plötzlich aus einem wunderbaren Traum erwacht .
Cosimo antwortete nicht gleich. Er fuhr sich mit beiden Händen über sein blasses Gesicht und rieb sie dann aneinander , als wollte er die Kälte aus den Fingern vertreiben. Anne zog fröstelnd die Schultern zusammen. Plötzlich schien nicht einmal mehr das Kaminfeuer sie wärmen zu können.
Auf diesen Seiten steht nichts Gutes, dachte sie. Und er überlegt jetzt, wie er es uns am besten sagen soll. Ihr wurde vor Angst übel. Die Sekunden, in denen Cosimo nicht auf Anselmos Frage antwortete, schienen sich zu Stunden zu dehnen . Und es schien immer kälter im Raum zu werden. Bald würde ihr Atem zu Reif gefrieren und sich in Form von Eisblumen an den Fensterscheiben niederschlagen. Endlich räusperte sich Cosimo.
»Eigentlich ist alles in bester Ordnung«, sagte er. Seine Stimme klang wie eine angerostete Maschine, die erst mit ein paar Tropfen Öl zum Laufen gebracht werden musste. Er deutete auf eines der eng beschriebenen
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