Die Feuer von Córdoba
Nicht einmal unter der schwersten Folter. Und ich werde lieber sterben als zuzulassen , dass irgendjemand seinen Namen in den Schmutz zieht, und möge es auch Anselmos Tante sein.«
Teresa sah aus, als hätte sie Anne am liebsten die Augen ausgekratzt, dabei reichte sie ihr nicht einmal bis zum Kinn.
»Beruhige dich, Teresa«, sagte Anselmo und legte ihr besänftigend einen Arm um die Schulter. »Meine Tante hat es nicht so gemeint, sie wollte nur …«
»Dann soll sie es auch nicht sagen!«, unterbrach Teresa ihn so heftig, dass Anselmo zusammenzuckte.
»Bitte, Teresa, in diesem Haus will niemand deine Ehre antasten. Deine nicht und auch nicht die deiner Eltern und Geschwister.« Er warf Anne einen bittenden Blick zu. Und Anne verstand.
Er will ungestört sein, um seine Liebste zu trösten, dachte sie und erschrak selbst über die Bitterkeit, die sie plötzlich von Kopf bis Fuß auszufüllen schien. Aber warum? Hatten andere etwa kein Recht auf Glück, nur weil Rashid gestorben war? Sollte die ganze Welt Trauer tragen, nur weil sie selbst unter diesem Verlust litt? Einen Augenblick lang kämpfte sie mit sich. Für einen kurzen Moment gewannen die Wut und die Bitterkeit in ihr Oberhand. Sie wollte stehen bleiben, Anselmos Absichten vereiteln, dafür sorgen, dass Teresa voller Zorn das Haus verließ. Doch zum Glück ging dieser Moment rasch vorüber, die Vernunft und das Verständnis siegten.
»Ich gehe nach oben und sage Cosimo Bescheid«, erklärte sie.
Anselmo nickte und lächelte ihr dankbar zu, als sie langsam und schwerfällig die Treppe hochstieg.
Das Zeichen
Anne klopfte leise an Cosimos Tür, aber sie erhielt keine Antwort . Beim zweiten Mal klopfte sie schon stärker – wieder nichts. Als er sich auch nach dem dritten Mal nicht meldete, wurde sie ungeduldig. Sie rüttelte am Türgriff in der Erwartung, dass er die Tür verriegelt hatte, aber sie irrte sich. Die Tür war offen.
Vorsichtig machte Anne die Tür einen Spaltbreit auf. Ihr Herz klopfte wie verrückt.
»Cosimo?«, fragte sie und trat einen Schritt in das Zimmer . Es war fast unnatürlich still. So still, dass ihr Herzschlag in den Ohren dröhnte und sie ihren eigenen Atem wie das Schnaufen einer Lokomotive empfand.
Totenstill!, dachte sie, und das schiere Entsetzen kroch langsam an ihrem Nacken empor. Sie wusste ja, dass das Elixier der Ewigkeit seine Benutzer zwar vor Alter und Krankheiten schützte, aber keineswegs vor Verletzungen und Giften . Und somit auch nicht vor Selbstmord. Eigentlich hätte sie am liebsten die Tür sofort wieder von außen geschlossen, aber sie konnte nicht. Der unwiderstehliche Drang der Neugierde , der Reiz des Schrecklichen, die Anziehungskraft des Unfassbaren zwangen sie, einen weiteren Schritt in das Zimmer zu gehen. Und dann noch einen. Die Vorhänge des Bettes waren zugezogen, und Cosimo war nicht zu sehen. Langsam tastete sie sich vor, Schritt für Schritt, bis sie dem Bett so nahe war, dass sie mit den Fingerspitzen den schweren dunklen Stoff der Vorhänge berühren konnte. Sie holte tief Luft und zog einen von ihnen mit einem Ruck zur Seite.
Das Bett war leer. Für einen kurzen Augenblick war Anne unendlich erleichtert, denn sie hatte eigentlich erwartet, Cosimo blutüberströmt mit aufgeschnittenen Pulsadern vorzufinden. Fast musste sie über sich selbst lachen. Doch dann kam von irgendwoher ein Luftzug und bauschte die Vorhänge . Eines der Fenster musste offen stehen. Anne wurde eiskalt . Sie schloss die Augen. Trotzdem konnte sie das Bild nicht verdrängen, das so klar und deutlich in ihrem Geist erschien , als ob sie es bereits in diesem Moment wirklich sehen könnte – sie sah Cosimos Füße, eine Handbreit über dem Boden. Der Wind, der durch das offene Fenster wehte, ließ sie hin und her baumeln. Sein ganzer Körper schwang im Luftzug wie ein riesiges Drehpendel. Er hatte eine Kordel, eine goldfarbene Gardinenkordel mit einer riesigen Quaste daran, zu einer Schlinge gebunden und am Fensterkreuz befestigt . Ihr wurde schlecht.
»Was kann ich für Euch tun, Señora?«
Cosimos Stimme kam von der anderen Seite des Raums, und Anne schrie erschrocken auf. Sie war so überzeugt gewesen , dass er sich etwas angetan hatte, dass sie im ersten Augenblick wirklich glaubte, eine Stimme aus dem Jenseits zu hören. Dann fiel ihr ein, dass es in diesem Haus keine goldfarbenen Gardinenkordeln mit Quasten gab. Sie hätten auch kaum ins 16. Jahrhundert gepasst.
Anne hörte Schritte, dann wurde der
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