Die Feuer von Córdoba
auch immer an der Tür stand, dachte nicht daran, aufzugeben. Das Klopfen wurde lauter.
»Anselmo?«, rief eine weibliche Stimme. »Warum öffnest du nicht?«
Die unbekannte Frau hämmerte gegen die Tür.
»Anselmo, bist du da? Señor Cosimo, seid Ihr vielleicht dort drin? Ihr müsst da sein, Euer Pferd steht ja auf dem Hof.« Einen Augenblick blieb es still. »Anselmo! Warum antwortest du nicht? Geht es dir gut?« Die Stimme wurde immer ängstlicher . Anne hörte eilige Schritte, die sich von der Tür entfernten. Und kurz darauf spähte ein Gesicht durch eines der Fenster. Es war das hübsche Gesicht eines jungen Mädchens.
»Wer ist das?«, flüsterte Anne, doch Anselmo blieb ihr die Antwort schuldig. Plötzlich kam Leben in ihn. Er sprang auf und stürzte zur Tür, zog und zerrte an dem Riegel, fluchte und schlug mit der Hand gegen das Holz, bis es endlich nachgab . Er riss die Tür auf und stürmte nach draußen.
»Teresa!«, schrie er, und seine Stimme klang wie die eines Ertrinkenden. »Teresa!«
Das Gesicht verschwand vom Fenster, und das Mädchen rannte auf ihn zu.
»Anselmo!«, rief sie von Weitem. Sie lief zu ihm in seine ausgebreiteten Arme und schlang ihre eigenen um seinen Hals. »Warum hast du nichts gesagt? Warum hast du mir die Tür nicht geöffnet? Geht es dir gut? Ich hatte solche Angst. Ich fürchtete schon, dass man euch abgeholt hat und dass ihr …«
Was auch immer sie noch sagen wollte, ging in Anselmos Küssen unter, die sie leidenschaftlich erwiderte. Anne wandte den Blick ab. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen. Rashid. Wie hatte sie ihn geliebt – sein Lachen, seine Wärme, sogar seinen leicht aufflackernden Zorn. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihn vermisste, und die Tränen brannten in ihren Augen. Sie wollte gerade die Treppe hoch und in ihr Zimmer gehen, als Anselmo nach ihr rief.
»Señora Anne, bleibt doch!«
Anne wandte sich um. Anselmos Haar war zerzaust, und das Feuer war in seine Augen zurückgekehrt. Er hielt das junge Mädchen an der Hand und zog es hinter sich her wie eine Rettungsboje , die er auf gar keinen Fall wieder loslassen wollte.
»Darf ich Euch Teresa vorstellen? Teresa, das ist Señora Anne, eine Cousine meines Vaters.«
Anne lächelte, obwohl ihr viel eher nach Heulen zumute war. Dabei hoffte sie, dass ihr Lächeln so freundlich wirkte, wie das Mädchen es verdient hatte.
»Es freut mich, dich kennen zu lernen, Teresa.« Sie hielt dem Mädchen die Hand hin, um es zu begrüßen. Doch zu ihrer großen Überraschung kniete das Mädchen vor ihr nieder , nahm ihre Hand und küsste sie, als wäre sie eine Königin . »Nicht doch«, sagte Anne und spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. »Das steht mir wahrlich nicht zu. Steh wieder auf, Teresa.«
Das Mädchen erhob sich und lächelte schüchtern, während Anne fast die Luft wegblieb. Teresa war eine Schönheit. Sie hatte volles langes Haar, das im Schein des Kaminfeuers wie poliertes Ebenholz glänzte. Ihre großen dunklen Mandelaugen waren von langen, dichten Wimpern umrahmt, die jede Wimperntusche überflüssig machten. Ihre Augenbrauen waren fein geschwungen, und ihre Haut war so rein und ebenmäßig, dass manches Fotomodell gewiss vor Neid erblasst wäre. Was an ihr jedoch besonders anziehend war, war ihre offensichtliche Bescheidenheit. Man konnte meinen , dass sie noch nie in ihrem Leben in einen Spiegel geblickt hatte.
»Teresa ist die Tochter des Apothekers José Alakhir«, erklärte Anselmo.
»Alakhir?«, fragte Anne. »Der Name klingt maurisch.«
»Wir sind Christen!«, versicherte Teresa hastig und warf Anselmo einen nervösen Blick zu. Doch er schüttelte den Kopf und strich ihr beruhigend über das offene Haar.
»Keine Angst«, sagte er leise, »meine Tante gehört nicht zu denen, die der Inquisition dienen. In diesem Haus bist du sicher .« Er wandte sich an Anne. »Ja, der Name Alakhir ist maurischer Herkunft. Deshalb ist Teresas Familie vor einigen Wochen der Inquisition zum Opfer gefallen. Sie allein konnte sich retten.«
»Ich war im Garten unseres Landhauses, als sie kamen«, erzählte Teresa. Und obwohl Anne fließend Spanisch sprach, hatte sie doch anfangs Probleme, ihr zu folgen. Das Spanisch des 16. Jahrhunderts schien sich von dem modernen Spanisch in ähnlicher Weise zu unterscheiden wie das Italienisch. Aber war sie nicht auch in Florenz mit diesen Problemen fertig geworden ? Sie würde sich schon hineinfinden, sie brauchte nur Zeit. »Auf unserem
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