Die Feuer von Córdoba
geschrieben. Oh, wenn mein Vater doch jetzt hier wäre und das sehen könnte.«
»Was weißt du über Merlin?«, fragte Cosimo.
»Leider nicht viel«, gestand sie. »Mein Vater hat manchmal mit meinem Bruder über ihn gesprochen. Er hat von Gerüchten erzählt. Merlin soll all seine Erkenntnisse, jede von ihm erdachte Rezeptur in einem Buch festgehalten haben ; ein Wissensschatz von unermesslichem Wert für die ganze Menschheit. Aber seine Gegner wollten Merlins Werk vernichten. Sie wollten diese Geheimnisse nicht zum Wohle aller preisgegeben wissen. Da die Seiten jedoch mit einem starken Zauber geschützt sind, ist es ihnen nicht gelungen. Stattdessen verstreuten sie die einzelnen Blätter überall auf der Welt.«
»Das stimmt nicht ganz«, erwiderte Cosimo. »Zumindest habe ich eine andere Geschichte gehört, die jedoch von verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen bestätigt wurde. Demnach war es Merlin selbst, der sein Werk nach dessen Vollendung zerstören wollte. Er musste nämlich erkennen , dass andere Magier und Alchemisten seine Warnungen missachteten und die Rezepturen für eigennützige oder gar boshafte Zwecke einsetzten. Der Überlieferung nach bezeichnete er sich selbst als ›Narr, der leichtfertig an die Weisheit und Güte des Menschen geglaubt hat‹ und sein Werk als einen ›Fluch, der die ganze Menschheit in den Untergang reißen‹ könne. Doch nicht einmal ihm gelang es, die Zauber, die er selbst gewirkt hatte, zu brechen. Deshalb verstreute er die Seiten seines ›Fluchs‹ in der ganzen Welt – wohl in der Hoffnung, dass es niemandem gelingen möge, es je wieder vollständig zusammenzutragen.«
Teresa hing wie gebannt an Cosimos Lippen. »Sind die Rezepturen wirklich so mächtig?«, flüsterte sie ehrfürchtig. »So wirkungsvoll?«
Cosimo nickte langsam. »Viel mächtiger und wirkungsvoller , als du dir vorstellen kannst.«
Teresa wurde blass. »Das Elixier der Ewigkeit«, sagte sie, ohne Cosimo aus den Augen zu lassen. Anne sah, wie Anselmo bei den Worten so sehr zusammenzuckte, dass er beinahe einen der Leuchter umgestoßen hätte. »Dieses Elixier wird in der Schrift erwähnt. Der Inquisitor steht unter seinem Ein-fluss, nicht wahr? Welche Wirkungen hat dieses Elixier der Ewigkeit?«
»Es schützt vor Krankheiten und Giften. Es verlängert das Leben. Und es macht wahnsinnig.«
»Und das einzige existierende Gegenmittel ist eben jenes Drachenöl, dessen Rezeptur hier aufgeschrieben ist?«
»Richtig.«
Teresa nahm wieder die Pergamente zur Hand und über-flog die Liste mit den Zutaten.
»Welch eine ungewöhnliche Zusammenstellung«, murmelte sie mit gerunzelter Stirn. »Viele der Zutaten sind im Labor, das weiß ich. Aber ich verstehe nicht, wie …«
»Wärst du bereit, uns zu helfen und uns zu dem Labor deines Vaters zu führen?«, wiederholte Cosimo die Frage eindringlich .
Sie blickte auf. »Ja«, sagte sie entschlossen. »Selbst wenn ich mich nicht für die Rezeptur als solche interessieren würde , könntet Ihr meiner Hilfe gewiss sein. Wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass mit dem Drachenöl dieser Sohn einer räudigen Hündin direkt in die Hölle geschickt werden kann, so ist das jedes Risiko wert. Das bin ich dem Andenken meiner Familie – und mir selbst – schuldig .«
Cosimo reichte ihr die Hand.
»Ich danke dir, Teresa. Wann kannst du uns hinführen?«
»Jetzt gleich, sofern Ihr das wollt«, erwiderte sie.
»Gut. Sehr gut.« Cosimo wandte sich an Anne. »Verehrte Cousine, wärt Ihr bereit, Anselmo zur Hand zu gehen und die Kutsche …«
Doch Teresa fiel ihm ins Wort. »Keine Kutsche«, sagte sie. »Die Wege in den Bergen sind steil und schmal. Eine Kutsche würde uns nur aufhalten. Wir sollten besser reiten.«
»Auch gut«, sagte Cosimo und warf Anselmo einen besorgten Blick zu. Dieser war kreidebleich geworden und sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. »Meine liebe Cousine , wärt Ihr trotzdem so freundlich, Anselmo behilflich zu sein? Ich werde noch ein paar Vorbereitungen treffen.«
»Gern«, sagte Anne. »Komm, Anselmo. Wir wollen die Pferde satteln.«
Anselmos Knie waren weich wie Butter, während er Anne beim Satteln der Pferde half. Hier auf dem Hof konnte er die Nähe dieser Tiere gerade noch ertragen, wusste er doch, dass er sich jederzeit im Haus, im Stall oder zur Not auf der den Hof umgebenden Mauer in Sicherheit bringen konnte. Wenn er jedoch daran dachte, dass er auf einem Pferd reiten sollte, wurde ihm
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