Die Feuer von Córdoba
Männer dort. Das hatte sogar Fernando Rodriguez, der Oberste Schreiber, zugeben müssen. Angeblich beherrschte Señora Anne sogar mehr Sprachen als Juan, der neben Latein nur ein wenig Französisch konnte. Sicher, Señora Anne war klug. Sie war sehr selbstbewusst und unabhängig, fast schon wie ein Mann. Suzanna hätte sie sich eher in Hosen auf einem Pferd als am Herd mit Kindern am Rockzipfel vorstellen können. Und doch war sie eine Frau wie sie selbst. Und daher wusste Suzanna auch, dass all ihre Bildung, das Schreiben, das Lesen , die vielen fremden Sprachen letztlich nur dazu dienten, die Männer zu umgarnen und in ihr Netz zu locken, auf dass sie ihr für immer verfielen. Die Masche war zwar neu, aber das Thema war so alt wie die Erschaffung der Welt. Eva hatte Adam mit dem Apfel vom Baum des Paradieses gelockt, manche Frauen verführten mit Schönheit und ihren weiblichen Reizen, diese Señora jedoch betörte die Männer mit ihrer Klugheit und ihrem Wissen. Es war so einfach.
»Suzanna?« Juan steckte den Kopf in die Küche. »Kommst du noch an die Tür? Wir müssen los, wenn wir nicht zu spät kommen wollen.«
Suzanna sah auf und lächelte, doch ihre Kehle brannte.
»Ja, ich komme.«
Wir müssen los. Wir . Warum sprach er von sich und ihr immer als Einheit? Und warum sah er sie, seine Ehefrau, nicht mehr an, wenn er mit ihr redete? Suzanna wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und ging in die Halle. Die Señora stand schon dort und wartete auf Juan.
Meinen Juan, dachte Suzanna trotzig. Ganz gleich, was du mit ihm angestellt hast, er ist immer noch mein Mann.
»Bis heute Abend«, sagte Juan und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Auch dabei sah er sie nicht an. Früher hatte er sich nicht satt sehen können an ihrem Mund, ihrem vollen schwarzen Haar, ihren Augen. Und jeden Morgen , wenn er in die Schreibstube ging, hatte er sie voller Liebe und Zärtlichkeit geküsst. Doch seit einiger Zeit wanderte sein Blick ziellos durch den Raum, sobald sie miteinander sprachen, als würde er sich davor fürchten, dass sie ihm seinen Betrug von den Augen ablesen konnte. Dabei wusste sie es doch schon längst.
»Bis heute Abend«, wiederholte Suzanna mechanisch und zwang sich wieder zu einem Lächeln.
»Vielen Dank für das ausgezeichnete Frühstück«, sagte Señora Anne. Sie versuchte immer freundlich zu sein, aber Suzanna ließ sich davon nicht täuschen. Juan hatte wenigstens noch ein schlechtes Gewissen, doch diese Frau war kälter als der Schnee in den Bergen. Es machte ihr überhaupt nichts aus, Suzanna unter ihrem eigenen Dach zu hintergehen . Cousine . Das war eine lächerliche Ausrede, das Dümmste , was den beiden hatte einfallen können. Auf der ganzen Welt hatte Juan keine Cousine. Gott allein mochte wissen, in welchem Bordell er diese Frau aufgegabelt hatte.
Sie schloss die Haustür sorgfältig hinter den beiden, schob den Riegel vor und kehrte in die Küche zu ihrem Abwasch zurück. Die Kinder liefen in den Garten, um dort zwischen den Obstbäumen und Blumenbeeten Fangen zu spielen.
Warum nur log Juan sie an? Er hatte sie noch nie belogen, in all den Jahren ihrer Ehe nicht. Er war immer ehrlich und aufrichtig gewesen bis zu dem Tag, an dem er so getan hatte, als würde er wie jeden Morgen in die Schreibstube gehen. Dabei hatte er an diesem Tag frei gehabt. Suzanna hatte nichts davon geahnt. Sie hatte es von einer Frau auf dem Markt erfahren, der Ehefrau eines anderen Schreibers. An diesem Tag war er spät abends mit dieser »Cousine« nach Hause zurückgekehrt. Und an diesem Tag war ihre Welt zusammengebrochen . Cousine! Geliebte, Flittchen, Hure waren wohl treffendere Bezeichnungen.
Suzanna stellte die Teller in das Regal und ging die Treppe hinauf ins Schlafzimmer, um die Betten zu richten. Seit dem ersten Tag nach ihrer Hochzeit hatte sie jeden Morgen die Betten gerichtet – und noch nie zuvor hatte sie so wenig dabei zu tun gehabt wie in der letzten Zeit. Manchmal fragte sie sich, ob sie überhaupt noch existierte. Vielleicht war sie ja bereits gestorben und hatte es nur nicht gemerkt? Juan schien sie jedenfalls kaum noch wahrzunehmen. Abgesehen von den Kindern hatte er offenbar nur noch Augen für die Señora. Was fand er nur an ihr?
Sie stellte sich vor den großen Spiegel. Für gewöhnlich machte sie sich mit ihrem Aussehen keine großen Umstände. Die drei Kinder und die zahlreichen Pflichten im Haushalt ließen ihr wenig Zeit, um neben der Sauberkeit auch noch auf
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