Die Feuer von Córdoba
hinauflief.
»Jetzt, da wir vorerst alles geklärt haben, solltet Ihr Euch auf den Heimweg machen, Señor Martinez. In einer Stunde wird die Sonne untergehen, und Ihr seid gewiss nicht erpicht darauf, den Wachen am Stadttor einen Grund zu liefern, Euch anzuhalten und zu befragen.« Er reichte Juan die Hand. »Lebt wohl, Señor Martinez. Ihr werdet bald von uns hören . Gebt unterdessen gut auf meine Cousine Acht. Sie ist eine ungewöhnliche, kluge Frau und uns – mir und meinem Sohn – teuer.«
Sie traten gemeinsam auf den Hof hinaus. Vom Sohn des Pferdezüchters war weit und breit nichts zu sehen, und Juan vermutete, dass er zu Teresa geflüchtet war. Teresa lebte! Er konnte es immer noch nicht fassen. Am liebsten hätte er gleich nach seiner Ankunft Suzanna davon erzählt, doch dann hätte er ihr auch sagen müssen, woher er sein Wissen hatte und wo er während des Tages gewesen war. Er würde seine Lüge aufdecken und Suzanna die Wahrheit sagen müssen , die ganze Wahrheit. Und dann? Nein, er würde schweigen . Es war besser so.
Cosimo de Cabalho sattelte ein Pferd und war gerade damit fertig, als die Frau aus dem Haus trat. Sie trug ein Bündel unter dem Arm und Juan fragte sich, ob dies ihr ganzes Gepäck war. Eine Frau von vornehmer Herkunft wie sie besaß doch wohl mehr Kleidungsstücke, Toilettenartikel und andere Utensilien, als dass sie in ein Bündel von der Größe einer Provianttasche gepasst hätten.
»Ist das Euer Gepäck?«, fragte Juan zaghaft.
»Ja«, entgegnete sie kurz und hängte das Bündel an den Sattel, bevor sie sich in der fremden Sprache von ihrem Cousin verabschiedete und aufsaß.
»Lebt wohl, bis bald!«, rief Cosimo ihnen nach, als sie die Hazienda verließen.
»Wie ist Euer Name, Señora?«, fragte Juan, während sie den Hügel hinaufritten, den er erst vor wenigen Stunden mit Bartolomé hinabgeritten war.
»Anne«, antwortete sie schroff. Offenbar war sie immer noch wütend. Vielleicht hätte Señor de Cabalho sie vorher fragen sollen.
»Señora Anne«, sagte Juan nach einer Weile, »ich möchte Euch nicht belästigen, aber …«
»Ja?«
»Euer Cousin hat vorhin gedroht, mich zu töten.« Juan schluckte wieder, als er sich daran erinnerte. »Hättet Ihr … Ich meine, was denkt Ihr darüber?«
»Oh, er hat es natürlich nicht ernst gemeint«, sagte sie. »Es war Theater, weiter nichts. Er wollte Euch nur dazu bringen , ihm die Wahrheit zu erzählen. Aber wenn es seine Absicht gewesen wäre, Euch zu töten, Señor Martinez, hätte ich nichts dagegen unternehmen können, selbst wenn ich gewollt hätte.« Sie sah ihn an. Trotz spiegelte sich auf ihrem hübschen Gesicht. »Was Cosimo will, geschieht. Und niemand kann etwas dagegen tun. Niemand, Señor Martinez.«
Dann gab sie ihrem Pferd die Sporen und galoppierte davon , hinter Bartolomé her.
V
Es ist so einfach
Suzanna stellte die Teller und Becher in die Schüssel zum Spülen. Sie hörte Juans Schritte und sein Lachen in der Halle. Jeden Morgen, bevor er sich auf den Weg zu seiner Arbeit in der Schreibstube machte, tollte er noch mit den Kindern herum, kitzelte sie und jagte sie durch das ganze Haus. Die Kinder liebten dieses Spiel und warteten jeden Morgen sehnsüchtig darauf. Auch jetzt jauchzten sie wieder vor Vergnügen . Dann hörte Suzanna seine Stimme. Er rief einen Namen . Aber er rief nicht nach ihr, seinem Eheweib, sondern nach ihr , dieser Neuen, die seit einiger Zeit unter ihrem Dach in der Mädchenkammer wohnte und seine Cousine war. Angeblich.
Sie neigte den Kopf über die Spülschüssel und begann die Teller mit einem nassen Lappen abzuwischen. Sie . Immer nur sie . Seit diese Señora Anne im Haus war, war Juan wie ausgewechselt . Er war abweisend, schweigsam, er wich ihr aus. Er schien überhaupt kein Auge mehr für sie, seine eigene Frau, zu haben. Und wenn er sprach, dann nur noch mit ihr . Señora Anne. Anne de Cabalho. Was für ein merkwürdiger, lächerlicher Name.
Suzanna presste die Lippen aufeinander, um nicht zu weinen . Warum? Warum sie? Natürlich war die Señora gebildet, das musste Suzanna neidlos eingestehen. Sie konnte sehr gut mit der Feder umgehen. Sie konnte auch viel mehr lesen als bloß die Inschriften in grober Schrift, die auf dem Pranger die Untaten des Delinquenten verkündeten, oder die Tafeln, auf denen die Bauern ihre Preise für Gemüse und Obst aufschrieben . Die Señora arbeitete in derselben Schreibstube wie Juan, und sie schrieb Briefe und Listen ebenso gut wie die
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